Der Sommernachtsball
geht. Man kann ihn ja hinten im Hof anbinden. Deshalb müsst ihr Polo auch in den Garten lassen. Ich kann nicht beide auf dem Hof lassen, sonst gehen sie sich womöglich an die Gurgel.«
»Chappy!«, wiederholte Mrs Wither entgeistert. Matt fügte sie hinzu: »Unter gar keinen Umständen.«
»O Mum, das lässt sich jetzt nicht mehr rückgängig machen; ich hab Doktor Parsham gesagt, dass es dir nichts ausmacht, wenn er ihn mitnimmt.«
»Chappy«, murmelte Mrs Wither. Vor dem Fenster wirbelte ein Zweig vorbei. Dunkle Wolken rasten über den Himmel. »Er wird sich bestimmt losreißen, das passiert doch immer. Ach du meine Güte, das ist ja fürchterlich .«
Chappy war ein Monster von einem Hund mit einem überschäumenden Temperament und schier unerschöpflicher Energie und wurde von der ganzen Nachbarschaft aus ganzem Herzen gehasst. Er war kein böser Hund: Alle wünschten, er wär’s, denn dann hätte man etwas gegen ihn unternehmen können. Er war einfach in jeder Hinsicht ZU VIEL : zu groß, zu freundlich, zu temperamentvoll. Außerdem war er ein leidenschaftlicher Beller, er bellte bei jedem kleinsten Anlass – oder ohne jeden Anlass – und zwar stundenlang. Er trieb sich gern mit einer Bande wilder kleiner Jungen herum. Er liebte Menschenansammlungen, vorzugsweise gut gekleidete, aber jede Menschenansammlung war besser als keine. Er hatte Dutzende guter Bekannter, aber keine Freunde, außer den Parshams, die ihm in aufrichtiger Liebe zugetan waren.
Colonel Phillips konnte ihn nicht ausstehen. Ein unerzogener, räudiger Köter – Colonel Phillips’ Ansicht nach verdiente er nicht mal den Namen Hund.
Wirklich ärgerlich, dass der Doktor ihn zur Gartenparty mitbringen wollte. Seine Anwesenheit würde Colonel Phillips höchstwahrscheinlich den Nachmittag verderben.
Aber, wie Madge gesagt hatte, jetzt konnte man nichts mehr dagegen machen.
»Na dann …« Mrs Wither erhob sich seufzend. Sie blieb einen Moment lang unschlüssig stehen und musterte besorgt Mr Wither, dann sagte sie: »Entschuldige, Arthur, du brauchst mich doch im Moment nicht, oder? Es ist nur, ich hab noch so viel zu tun.«
Mr Wither winkte ab und starrte trübsinnig zum düsteren Himmel hinaus. Mrs Wither ging.
Tina stand am Fenster und schaute auf den mageren Rasen und auf die Tische hinab. Was für eine Farce, dachte sie, es will sowieso keiner kommen, das Buffet ist langweilig und uninspiriert, und regnen wird’s auch noch. So etwas sollte man nur dann machen, wenn man es oft und gut macht, so wie die Springs. Bei denen gibt es sicher ein atemberaubendes Buffet, und sie stellen bunte Sonnenschirme auf … Wenn Saxon doch bloß nicht beim Bedienen helfen müsste, ich weiß genau, wie sehr er das hassen muss. Und ich werde nicht anders können, als ab und zu zu ihm hinzuschauen. Bin ich froh, wenn diese ganze dumme Sache vorbei ist.
Sie war mit ihren Bemühungen, Saxons Freundschaft zu erringen, keinen Schritt weitergekommen, obwohl sie sich – trotz seiner überkorrekten Fassade – immer gleichbleibend freundlich und entgegenkommend verhielt. Ihr Stolz ließ es nicht zu, dass sie ihm weiterhin sozusagen die Hand reichte, die er verschmähte.
Sie verlor die Hoffnung und war drauf und dran, die Fahrstunden abzubrechen, als sich bei ihm eine winzig kleine Veränderung bemerkbar machte. Er war weniger förmlich, machte von sich aus eine Bemerkung über die Größe eines Schweins, an dem sie vorbeifuhren, ohne dass Tina ihn erst dazu ermuntern musste. Zweimal schmunzelte er über eine Bemerkung, die sie machte. Es waren diese kleinen Anzeichen von Tauwetter, die Tina bei der Stange hielten – obwohl sie längst aufgehört hatte, sich auf die Fahrstunden zu freuen.
(Ich sollte ihr vielleicht besser einen kleinen Schubs geben, hatte Saxon gedacht, den die Fahrstunden, so wie sie jetzt waren, ebenfalls zu Tode langweilten. So kommen wir nicht weiter … und ich kann’s kaum noch aushalten, ihr Gesicht zu sehen, die arme Kleine, das ist ja zum Steinerweichen . Fest entschlossen dachte er an seine Tankstelle; danach machte er die Bemerkung über den Umfang des Schweins.)
Keiner der beiden hatte das Gefühl, dass sie mit ihrem Vorhaben sonderlich gut vorankamen.
Viola ging deprimiert ihren Kleiderschrank durch und kam zu dem Schluss, dass keins ihrer Kleider geeignet war. Einige nahm sie auseinander und wünschte dann, sie hätte es nicht getan, weil sie dadurch auch nicht besser wurden. Schließlich beschloss sie, weil es ein
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