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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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Sie den Kerl raus … eine Schande ist das …«
    Er beugte sich vor und begann Colonel Phillips alles über den Einsiedler zu erzählen. Die anderen fielen, durch die Aufregung belebt, mit frischem Appetit übers Buffet her.
    Saxon verschwand mit bleichem Gesicht.
    Tina, die gar nicht merkte, dass ihre Tischnachbarin sie fragend ansah, starrte ihm mit wild klopfendem Herzen nach. Wenn es nun eine Rauferei gab?
    Einige Minuten herrschte Stille. Alle aßen mit gespitzten Ohren und unterhielten sich zerstreut.
    Dann brach die Hölle los, schlimmer als je zuvor. Gebell, Gebrüll, schrilles Gekreisch, Krachen, Schmerzensschreie, dazu das wütende Gebell von Chappy, aus dem jäh ein schmerzerfülltes Winseln wurde.
    »Chappy! Chappy!«, röhrte nun auch Doktor Parsham. Wie der Blitz kam er aus dem Wohnzimmer geschossen und rannte mit wehendem Haar über den Rasen. »Lasst gefälligst meinen Hund zufrieden!«
    Auch Colonel Phillips, Victor, Mr Wither und die anderen Männer waren aufgesprungen.
    Polo fing an zu jaulen. Madge eilte sofort an seine Seite.
    » MISTAH WITHAAAH !«, brüllte die Stimme.
    Ein schriller Schrei.
    »Los, kommt!«, befahl Colonel Phillips. Nun gab es kein Halten mehr. Angetrieben von Neugier und Entsetzen rannten alle über den Rasen Richtung Hinterhof. Selbst Mrs Spring, die sonst nie aus der Rolle fiel, hielt es für ihre Pflicht nachzusehen, was dort vor sich ging. Lady Dovewood schloss sich auch aus professionellem Interesse an, denn zwei ihrer Söhne waren passionierte Freizeitboxer. Außerdem war die Party sowieso fürchterlich öde gewesen.
    Victor tauchte plötzlich an Violas Seite auf. Er nahm sie bei der Hand und hielt sie zurück, während die anderen davonliefen. Dann rannte er mit ihr zu einem alten, verfallenen Sommerhäuschen, das in einem überwucherten Teil des Gartens stand.
    »Endlich!«, sagte er und machte die Tür fest hinter sich zu, »jetzt können wir …«
    Im Innern herrschte ein flackerndes grünes Licht, das durchs Laub in die von Spinnweben behangene Hütte fiel. Viola, in einer Trance des Entzückens, erwiderte seine Küsse rückhaltlos, beide Arme um seinen Hals geschlungen, die Augen geschlossen, schwer atmend. Keiner von beiden sprach ein Wort.
    Sie vergaßen alles um sich herum. Um sie herrschte Stille, unterbrochen nur durch das Sausen des Windes, der durch die glitzernden Blätter vor den Fenstern fuhr, sodass grüne Lichtflecke über die mit Spinnweben übersäte Decke tanzten.
    Schließlich murmelte Victor: »Wir müssen aufhören. Die fragen sich sicher schon, wo wir sind.«
    Sie seufzte und schlug langsam die Augen auf. Ihre Pupillen waren geweitet, das Schwarz hatte das Grau ihrer Augen beinahe verschlungen; ernst und feierlich schaute sie zu ihm auf.
    Er schüttelte sie ein wenig. »Aufwachen! Komm, reiß dich zusammen.«
    So konnte er sie unmöglich rauslassen; da hätte sie sich gleich ein Schild um den Hals hängen können.
    »Wie heißt du eigentlich?« Er war zur Tür gegangen und warf ihr nun einen zärtlichen Blick über die Schulter zu.
    »Viola«, flüsterte sie.
    »Hübsch … so hübsch wie du. Pass auf …«, er schaute sich vorsichtig draußen um; die anderen waren noch im Hinterhof, von dem noch immer Lärm zu ihnen herüberdrang, »kein Wort über das hier, verstanden?«
    »Natürlich nicht«, entgegnete sie und errötete.
    »Nun … denk dran. Denn sonst …« Sie überquerten mit raschen Schritten den Rasen in Richtung des Gebüschs, das den Garten vom Hinterhof trennte. Viola zitterte ein wenig im kalten Wind; sie war immer noch ganz benommen. »… sonst bringst du uns in große Schwierigkeiten.«
    Er schenkte ihr ein zärtliches Lächeln, das sie scheu erwiderte. Selig schritt sie mit ihm über den Rasen. Er hatte sie geküsst, er liebte sie. Er wollte mit ihr ins Theater gehen. Dort würde er ihr dann einen Heiratsantrag machen. Es war einfach herrlich: wie im Märchen. Bloß, dass es real war.
    Sie umrundeten die Limonenbäumchen. »Die Schlacht scheint vorbei zu sein«, bemerkte Victor fröhlich, »Mrs Wither hat sich den Fuß vertreten, deshalb bin ich zurückgeblieben, um ihr zu helfen.« Er lächelte Mrs Wither senior keck an, deren Augen trotz des ganzen Unheils einen Moment lang scharf auf Viola ruhten. »Seid ihr den Einsiedler endlich losgeworden?«
    »Ja, Colonel Phillips und Saxon mussten ihn gewaltsam vom Hof entfernen«, antwortete Mrs Wither. Die Kalamitäten ihrer Gartenparty hatten sie so erschüttert, dass sie den

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