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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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Rückfahrt zu Jerrys Quartier sagte er: »Nettes Mädchen, nicht?«
    »Ja.«
    »Froh, dass du mitgekommen bist?«
    »Ja.«
    Wir sahen ein bisschen fern, fanden es aber beide nicht spannend. Jerry verbrachte die meiste Zeit mit einem Kartenspiel, das er unaufhörlich mischte, und ich redete pausenlos, ohne wirklich etwas zu sagen. Jerry klatschte mein Geschnatter quer durch denRaum zwischen uns, und ich ließ seine Salven zu Boden rollen und sterben.
    Gegen elf stand Jerry auf und sagte: »Lass uns ins Wohnmobil zurückkehren. Er muss inzwischen zu Hause sein.«
    Als wir den leeren Platz vor dem Holiday Rambler sahen, murmelte Jerry: »Scheiße!«
    »Lass mich einfach hier raus«, sagte ich. »Ich komm schon zurecht.«
    »Nein, verdammt! Das müsste ich mir ewig vorhalten lassen. Verdammt, Mitch. Das hier versaut wirklich alles.«
    »Komm rein. Es ist Bier da.« Ich hoffte, das Angebot würde meinen ruhelosen Bruder besänftigen.
    »Ja, ja, okay.«
    Er stellte den Motor ab.
    Jerry ertränkte die Langeweile der ersten Stunde mit zwei Blue Ribbons aus dem Kühlschrank. Dann wurde er unruhig und fing an zu schimpfen.
    »Verdammte Scheiße, Mann! Wo bleibt er?«
    Die Augen wollten mir immer wieder zufallen. Ich kämpfte dagegen an. Es war fast Mitternacht, weit über den Punkt hinaus, an dem ich sonst aufs Meer der Träume hinaussegelte.
    Jerry schaltete den Fernseher an und kochte fast über vor Wut.
    Das Zuschlagen der Eingangstür riss mich aus dem Schlaf. Kurz darauf hörte ich Dad lautstark durch die Fliegengittertür brüllen.
    »Prima«, sagte er. »Meine Söhne sind hier. Du wirst sie mögen.«
    Dad kam die Stufen hochgetorkelt, dicht gefolgt von einer zierlichen Blondine, die nur halb so viel als Kleid trug, als sie gebraucht hätte, um ihren Körper zu bedecken. Irgendwie und auf perverse Art erschien es passend. Ich schätzte sie auf halb so alt wie Dad.
    Schlaftrunken versuchte ich, die plötzlich veränderte Chemie im Raum zu absorbieren. Mein Bruder saß nicht mehr nebenmir. Wutschäumend stand Jerry vor unserem Vater und reckte das Kinn.
    »Himmel, Arsch und Zwirn!«, fluchte er. »Wo zum Teufel bist du gewesen? Es ist ein Uhr morgens.«
    »Brenda«, sagte Dad, der sich nur mit Mühe auf den Beinen hielt, da der Alkohol ihn aus dem Gleichgewicht brachte, »der mit der großen Klappe ist mein Sohn Jerry. Und der hier« – mit Schlagseite nach links zeigte er auf mich – »ist Mitch. Er ist der nette.«
    »Hi«, sagte Brenda, ohne dass einer von uns reagierte.
    »Jungs, sagt Hallo zu der Frau, die vielleicht eure neue Mutter wird«, sagte Dad.
    Mir war zum Kotzen.
    Brenda kicherte.
    »Bist du total übergeschnappt?«, empörte sich Jerry. »Was zum Teufel hast du denn die ganze Nacht gemacht?«
    Dad grinste meinen Bruder an. »Das fragst du noch?«
    Brenda kicherte wieder.
    »O Mann, das ist ja eine schöne Scheiße!«, sagte Jerry.
    »Brenda, geh schon mal ins Schlafzimmer«, sagte Dad. Er schob seine neue Freundin in Richtung Flur und gab ihr auch noch einen Klaps auf den Arsch. Sie ging zur Tür, öffnete sie, trat durch und schloss sie hinter sich.
    »Nein, nein, nein, nein«, rief Jerry.
    Dad unterbrach ihn.
    »Jungs, eure neue Mutter und ich gehen jetzt schlafen. Immer schön locker bleiben, okay?«
    Als Dad in Richtung Schlafzimmer taumelte, packte Jerry ihn an der Schulter und sagte: »Nein, zum Teufel noch mal, du wirst jetzt nicht ...«
    Blitzartig wirkte Dad wieder stocknüchtern. Er wirbelte Jerry herum, drehte ihm den Arm auf den Rücken, packte ihn am Kragen und schlug ihm das Gesicht gegen die Kühlschranktür.
    »Was zum Teufel noch mal werde ich nicht tun? Was hast du denn, du zäher Bursche? Gar nichts hast du. Fick dich, Jerry. Fick dich doch, wenn dir das nicht passt.«
    Er stieß Jerry zu Boden, drehte sich um und verschwand ins Schlafzimmer.
    Ich weinte. Jerry saß auf dem Fußboden, seine Nase blutete.
    Ein paar Minuten später begannen die verräterischen Geräusche auf der anderen Seite der Tür. Ich hatte noch nie Sex gehört, nie über Sex nachgedacht, aber ich wusste, was es war in dem Moment, als mir das Geräusch in die Ohren drang. Ich weinte lauter, unkontrolliert. Meinetwegen. Wegen Jerry. Wegen Dad, der meine Tränen nicht verdiente. Wegen Marie, die sicher welche verdiente, trotz ihrer Fehler.
    Dad brüllte durch die Tür: »Hör verdammt noch mal auf zu heulen, Mitch!«
    Jerry zog sich vom Boden hoch und setzte sich neben mich. Er schlang die Arme um meine Schultern,

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