Der Sommersohn: Roman
nicht aus der Fassung bringen, was sich am Ende als falsch herausstellte. Ich frage mich immer noch, ob er überhaupt irgendwas recht machen konnte.
Auf dem Parkplatz hatte Dad Al mit einem Kinnhaken niedergestreckt.
Mir schaudert bei der Erinnerung.
»Halte dich einfach von ihm fern«, sagte ich zu Toby.
Mein Rat an Toby, so vernünftig er war, erwies sich als über flüssig. Dad grub nur noch zwei weitere Löcher nach dem Lunch und verkündete dann, dass wir in die Stadt zurückfahren würden. Wir hatten kaum eine halbe Tagesarbeit geschafft, aber niemand sagte etwas. Wenn Jim Quillen vorzeitig Feierabend machte, war das so was wie ein geschenkter Gaul.
In der Stadt angekommen, verließ Dad die Hauptstraße und setzte Jerry und Toby vor ihrer Unterkunft ab.
Zu Jerry gewandt, sagte er: »Jerry, ich muss heute Abend ein paar Sachen in Cedar City erledigen. In einer Stunde oder so bringe ich Mitch. Du musst auf ihn aufpassen.«
»Warum kannst du ihn nicht mitnehmen?«
»Einmal, weil ich sowieso schon zu spät komme, und außerdem muss ich ein paar Leute geschäftlich sprechen. Ein Junge hat da nichts verloren.«
Es wurmte mich, dass sie über mich redeten, als wäre ich gar nicht anwesend.
»Ich kann auch allein im Wohnmobil bleiben«, warf ich ein.
»Nein, absolut nicht«, sagte Dad.
»So ein Mist, mir das ohne Vorwarnung aufzuhalsen«, motzte Jerry. »Ich habe andere Pläne.«
»Das Leben ist hart, Kind. Eine Nacht kannst du mal ohne Rammeln auskommen. In einer Stunde sehen wir uns wieder.«
Im Wegfahren zeigte Jerry Dad die universelle trotzige Geste. Dad sah es entweder nicht, oder es war ihm schnuppe.
Nach dem Bad musterte sich Dad wohlgefällig im Badezimmerspiegel. Und wie er so mit nacktem Oberkörper dastand, zeigte sich, was für ein strammer Kerl er war. Auf den ersten Blick machte Dad keinen Eindruck – er war klein und hatte Beine mit stämmigen Unterschenkeln. Aber die mittlere Körperregion und die Arme wirkten wie aus Stein gemeißelt, und seine Hände waren kräftig und muskulös vom Arbeiten mit Stahl. Mit seinem Dickkopf und dem gestählten Körper war Dad jeder körperlichen Herausforderung gewachsen.
Pfeifend klatschte er sich Kölnisch Wasser ins Gesicht. Der Duft von Aqua Velva waberte durch das Wohnmobil.
»Was machst du heute Abend?«, fragte ich.
»Ich muss mich mit einem Mann wegen Bohreinsätzen treffen, und ich bekomme von ein paar Freunden Tipps für neue Jobs.«
»Lass mich mitkommen. Ich bin auch still.«
»Nein genügt wohl.«
»Jerry will mich nicht um sich haben. Ich bin ihm nur im Weg.«
»Dein Bruder muss lernen, dass es nicht immer nach seinem Kopf gehen kann. Und das kann er ebenso gut heute Abend lernen.«
»Er wird es einfach an mir auslassen.«
»Gott, Mitch, hör auf damit! Du kommst nicht mit.«
Bei Jerry angekommen, begleitete Dad mich nicht hinein; er hielt einfach den Truck an und befahl mir auszusteigen, und dann brauste er davon.
Jerry zeigte sich genauso ungehalten, wie ich erwartet hatte. Er öffnete die Tür und hieß mich reinkommen. Ich setzte mich aufs Sofa, und Jerry ging durchs Wohnzimmer zurück ins Bad. Wie Dad schon vorher, beduftete sich auch Jerry mit Deo und Kölnisch Wasser. Ich hatte noch meine Arbeitskleidung an. Wir waren nicht lange genug draußen gewesen, um sie zu verschmutzen oder mein Gesicht aus einer Mischung aus Schweiß und Staub zu verdrecken.
Jerry rief mir aus dem Bad zu: »Sieh mal, Mitch, ich weiß, das hier ist nicht deine Schuld, aber Herrgott noch mal! Das versaut echt alles.«
»Ich weiß.«
Jerry ging aus dem Bad in sein Zimmer, kam anschließend zurück ins Wohnzimmer und zog sich ein Samthemd über den Kopf.
»Ich habe keine Wahl, also kommst du heute Abend mit mir. Benimm dich.«
»Okay. Wohin gehen wir denn?«
»Wir gehen Burger essen, dann fahren wir nach Beaver, einen Film sehen.«
»Nur du und ich?«
»Nein, Denise, Toby und seine Freundin kommen auch.«
»Was für ein Film?«
»Ist das nicht egal?«
Ich stampfte mit dem Fuß auf.
»Mitch, das wird alles prima, wenn du dich benimmst. Sonst kriegst du von mir einen Tritt in den Arsch. Kapiert?«
Mein Bruder drohte mir oft mit Arschtritten, ohne die Drohung je wahrzumachen. Was hätte das auch für einen Zweck gehabt?Er war acht Jahre älter. Doch da er so besorgt schien, dachte ich mir, ich sollte ihm besser eine Antwort geben, die ihm gefiel.
»Ja, kapiert.«
Denise, Toby und Tobys Freundin warteten in der Burger-Bude um die Ecke.
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