Der Sommersohn: Roman
einen Pfiff aus. »Du bist ja ein richtiger Glückspilz.«
»Ja. Ich bin froh, dass mein Dad dabei war.«
Denise, die bisher nichts gesagt hatte, platzte heraus: »Ich finde, dein Dad ist ein richtiges Arschloch.«
»Denise!«, schimpfte ihre Mutter. Am Tisch wurde es still. Ich überbrückte das peinliche Schweigen, indem ich mir den Mund mit Spareribs vollstopfte. Denise stand weinend auf und rannte aus dem Zimmer.
»Wir bedauern sehr, dass dein Bruder weg ist, Mitch«, sagte Mr Munroe, während er zusah, wie seine Frau hinter Denise her rannte. »Wir hatten ihn gern bei uns.«
Nach dem Essen gingen Jennifer und ich spazieren.
»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte sie.
»Ich freue mich, dass du mich eingeladen hast. Ich mag deine Familie.«
»Ja.«
Wir gingen weiter.
»Mitch, bist du okay hier?«
»Klar. Warum?«
»Ich weiß nicht ... Ach, egal.«
Ich blieb stehen.
»Hey, mein Dad ist ein guter Mensch«, sagte ich. »Mir tut es auch leid wegen Jerry, aber ... also, es ist schwer zu erklären.«
»Schon gut.«
Als wir um eine Ecke bogen und wieder auf ihr Haus zugingen, nahm Jennifer meine Hand.
Ich wollte zum Wohnmobil zurückgehen, aber das lehnte Mr Munroe ab.
»Es wird dunkel«, sagte er. »Ich fahre dich hin.«
Jennifer begleitete uns. Wir alle waren nicht sehr gesprächig, aber als wir hinter Dads Pick-up zum Stehen kamen, sagte Mr Munroe zu mir: »Du kannst uns jederzeit besuchen kommen, Mitch. Ganz ehrlich.«
»Danke, Sir.«
»Tschüss, Mitch«, rief Jennifer hinter mir her, als ich zum Wohnmobil ging. Ich drehte mich um und winkte.
Das Licht im Wohnmobil brannte. Ich dachte, Dad sähe noch etwas fern, bevor er schlafen ging. Knapp tausenddreihundert Kilometer Fahrt bis zur Ranch in Split Rail erwarteten uns am Morgen.
Drinnen fand ich Dad nicht vor. Nur einen Zettel.
Mitch: Bin bald zurück. Geh ins Bett. Dad.
Ich schloss die Tür ab und schaltete das Licht aus und den Fernseher ein. Eine Stunde verstrich, dann anderthalb. Das Testbild erschien auf dem Fernsehschirm.
Nach Mitternacht hörte ich Dads Schritte auf der Schotterpiste. Ich schaltete den Fernseher aus und sank ins Kissen.
Dad fingerte an seinem Schlüsselbund und versuchte aufzuschließen. Als er drin war, kam er zu meinem Schlafplatz, und eine Whiskeyfahne wehte zu mir herüber.
»Schläfst du?«
Ich hielt die Augen fest geschlossen.
»Mitch?«
Ich rührte mich nicht.
Er blieb noch eine Weile. Das war alles, was ich konnte, die Augen geschlossen halten. Endlich sagte er: »Gute Nacht.«
Als ich die Schlafzimmertür ins Schloss fallen hörte, schlug ich die Augen auf.
BILLINGS | 20. SEPTEMBER 2007
Dad hatte Kaffee für mich bereit, als ich in die Küche kam.
»Wie spät ist es?«
Er schmunzelte. »Viertel nach elf.«
»Du machst wohl Witze.«
Er reichte mir eine Tasse, und als ich zögerte, verdrehte er die Augen und holte mir Sahne und Zucker.
»Ein bisschen harte Arbeit macht dich platt, was?«, sagte er.
Zweifellos. Ich hatte meinen Beinen gut zureden müssen, dass sie sich wieder bewegten, und in den Schultern und im Bizeps hatte ich Muskelkater. War ich denn wirklich so schlecht in Form?
»Ich arbeite hart, aber ja, körperliche Arbeit ist scheiße.«
»Du arbeitest nicht hart.«
Ich sah Dad an, und er grinste. Er suchte Streit, einfach so zum Spaß, und ja, zum Teufel noch mal, ich ging darauf ein, womit ich bewies, dass mein Hirn so weich wie meine Muskeln war.
»Hast du schon mal was verkauft, das fünf Millionen Dollar wert ist, Pop? Ich hab das an einem Wochenende geschafft.« Vor langer Zeit, räumte ich im Stillen ein.
»So schwer ist das nicht.«
Ich nahm ihn ins Visier.
»Schwachsinn zu verkaufen ist leicht«, sagte ich. »Das hast du dein ganzes Leben gemacht. Aber Schwachsinn ist nichts wert.«
Dad huschte ins Wohnzimmer und lachte mich aus.Nachdem ich geduscht und mich angezogen hatte, ging ich in die Küche zurück und schüttete mir Cornflakes in eine Schale.
»Nicht essen«, sagte Dad.
»Ich sterbe vor Hunger.«
»Ach was«, sagte er und stupste mir mit dem Zeigefinger in den Bauch. »Wir essen im Elks.«
»Warum?«
»Es ist Donnerstag. Ich esse da immer donnerstags. Möchtest du denn nicht mal eine Weile raus hier?«
Dad bestand darauf, dass wir meinen Mietwagen nahmen. Auf der Fahrt zum Elks Club, der fünf Häuserblocks entfernt war, fummelte er die ganze Zeit an den Extras des Autos herum.
»Satellitenradio? Was ist das denn?«
»Das wird über
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