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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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abgeräumt war, kamen die Karten für
Texas Hold ’Em
erneut auf den Tisch. Die Grundeinsätze, die sogenannten Blinds, waren nicht hoch – fünf bzw. zehn Cent. Sicher, wir spielten ohne Limit, aber bei vier Männern mit festem Einkommen und mir – jeder Nickel mit zehn Dollar Einsatz – würde niemand pleite gehen oder stinkreich werden. Das aber änderte nichts an der erbitterten Konkurrenz an unserem Tisch.
    Nach einer Stunde waren Pete und Ben draußen, und ich war auf dem besten Weg, ihnen Gesellschaft zu leisten. Dad und Charley saßen hinter beachtlichen Häufchen von Münzen. Meines war viel kleiner, vielleicht zwei Dollar.
    Dad teilte aus, eine Karte für mich, eine für Charley, eine für sich selbst, und dann noch einmal dasselbe. Ich hielt die hohle Hand vor die verdeckten Karten und hob die Ecke an. Zwei Asse in der Starthand, Pik und Kreuz. Der vielversprechendste Anfang, den ich je gesehen hatte.
    Ich warf fünfundzwanzig Cent in den Pott.
    »Krösus«, sagte Dad.
    Charley warf seine Karten rein. »Von mir nichts«, sagte er.
    Dad ging mit.
    Er legte eine Karte verdeckt neben den Stapel und dann den Flop aus: Karo-Vier, Pik-Vier, Herz-Ass. Da war mein Full House. Jetzt hatte ich Dad am Haken und musste ihn an Land ziehen.
    Ich setzte aus.
    Dad lächelte und setzte ebenfalls aus. Schön, sagte ich mir, du kennst den Mann. Was hat der alte Bussard? Vermutlich nichts. Der blufft doch bloß.
    Dann kam der Turn. Pik-Bube. Das half weder mir noch ihm.
    Ich setzte erneut aus.
    Dad lächelte wieder und sagte: »Fünfzig Cent.« Er warf die Münzen in den Pott.
    Er blufft, dachte ich. Er ist zu tief drin, und er versucht, was zu retten. Ich ging mit.
    Dad deckte die River-Karte auf. Karo-König.
    Ich setzte einmal mehr aus.
    Dieses Mal lächelte Dad nicht. Er schob noch mal fünfzig Cent in die Mitte und versuchte wieder, mich rauszubluffen. Es war Zeit, den großen Fisch ins Boot zu ziehen.
    Ich zählte meine restlichen Nickel – ein Dollar und fünfunddreißig Cent – und schob sie in die Mitte.
    »Alles.«
    Als Dad grinste, wusste ich, dass es aus war. Er schaute, als hätte er gerade Miss Amerika flachgelegt.
    »Die Sache ist die, Mitch ...«, sagte er.
    Mir kam die Galle hoch.
    »Du hast die Asse. Das hab ich daran gemerkt, dass du dich vorgebeugt hast – das ist ein untrügliches Zeichen, Sportsfreund –, aber das hat mich nicht gekratzt. Ich habe den Vierer. Ach, und ich will sehen.«
    Er deckte seine Karten auf. Kreuz-Vier und Herz-Vier.
    Ich hätte es nicht ertragen, ihm recht zu geben, indem ich ihm meine Karten zeigte. Ich warf sie rein und sagte: »Bastard.«
    »Mach keinen Scheiß«, sagte Dad. Er schnappte sich die Karten. »Wenn es ›Ich will sehen‹ heißt, dann zeigst du deine Karten. Ich seh sie mir jetzt an.«
    Ich fixierte Dad mit starrem Blick, und er starrte zurück. Charley lachte nervös.
    Dad drehte das Pik-Ass um. »Hier ist Nummer eins.« Dann kam das Kreuz. »Und da haben wir Nummer zwei. Macht Spaß, dir Geld abzuluchsen, Mitch«, sagte er, während er die Moneten einsackte.
    Pete und Ben brachen in brüllendes Gelächter aus. Charley sah mich mitfühlend an, und ich war ihm dankbar dafür. Eine halbe Stunde später servierte der Alte auch ihn ab, und das Spiel warvorbei. Was hätte ich nicht alles dafür gegeben, stattdessen
Sorry!
zu spielen.
    Auf dem Heimweg begeisterte sich Dad wieder für das Satellitenradio.
    »Wir könnten spazieren fahren und es hören«, sagte ich. »Benzinverschwendung.«
    »Nicht wenn wir ein Ziel haben.«
    Dad sah mich an. »Was schwebt dir da vor?«
    »Ich möchte mir Split Rail ansehen.«
    »Warum?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Das Wiedersehen mit Charley hat mich ins Grübeln gebracht. Ich bin schon seit Jahren nicht mehr da gewesen. Das möchte ich auch gern wiedersehen.«
    »Das ist verdammt weit weg, Mitch.«
    »Es sind doch nur knapp hundertdreißig Kilometer, oder? Wir könnten hinfahren, uns umsehen, etwas essen und zurückkommen.«
    Dad zuckte mit den Achseln.
    »Na schön. Dann fahr.«
    Ich nahm die Ausfahrt Lewis und fräste mich zurück durch die Stadt zu den Rimrocks. Darüber verlief der Highway 3, der Straßen abschnitt, der uns tief ins zentrale Montana und mich in meine Erinnerungen führte.

DIE STRASSE NACH SPLIT RAIL, MONTANA, 20. SEPTEMBER 2007
    In Broadview, ungefähr auf halber Strecke nach Split Rail, fragte Dad: »Was ist denn los mit dir und deiner Frau?«
    Ich versuchte, meine Überraschung zu

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