Der Sommersohn: Roman
ich Charley: »Was hat er denn getan?«
»Hat seine Frau grün und blau geschlagen und ist getürmt. Hat es bis Judith Gap geschafft, bevor er Durst bekam. Die haben ihn aufgelesen, als er in eine Schlägerei verwickelt war.«
»Mann«, sagte ich.
»Ja, wenn die nicht so doof wären, würden wir sie nie schnappen.«
SPLIT RAIL | 6. JULI 1979
Der Regen, der mir auf die Lippen tropfte, brachte mich wieder zu Bewusstsein. Ich schlug die Augen auf und sah, dass Charley Rayburns Gesicht mich anstarrte. Ein dicker Tropfen glitt von der Krempe seines Cowboyhuts und platschte mir ins Gesicht.
»Bist du verletzt, Mitch?«, fragte Charley.
»Ich ... ich glaube nicht. Was ist passiert?«
»Ihr hattet einen Unfall.«
Wasser lief über die Windschutzscheibe. Das Stroboskop von Charleys Streifenwagen beleuchtete die Szene abwechselnd blau und rot.
»Bleib, wo du bist!«, sagte er.
Ich drehte den Kopf nach rechts, und ein dumpfer Schmerz breitete sich in den Schultern aus. Dad saß neben mir und stierte stur geradeaus, Blut floss ihm aus der Nase, über den Mund und auf sein Hemd.
Charley erschien an Dads Seite und zog die Tür auf.
»Halte dir dies auf die Nase, Jim. Es stoppt die Blutung«, sagte Charley und reichte Dad ein Taschentuch.
Charley stand draußen und starrte zu uns in den Truck. Seine klatschnasse Uniform klebte ihm am Körper.
»Mein Gott«, sagte er. »Was macht ihr beide bloß für Sachen?«
Als Jeff und ich die Polizeiwache verließen, frischten wir unsere Bekanntschaft mit Split Rail auf, machten die Gegend unsicher, indem wir durch Gärten flitzten, über Maschendrahtzäune kletterten und dann blitzschnell querfeldein davonrannten, ohne Angst (oder diese verdrängend) vor dem, was dort auf uns lauerte. Das Adrenalin brandete durch meinen Körper, sobald ich wieder auf dem Boden landete und vorbeirannte an Kindern, Familien, die um einen Grill herumstanden, und mehr als einmal an einem Revierhund. Bis irgendwer begriff, was zum Teufel da ablief, waren wir schon über den nächsten Zaun, verfolgt von einem »Hey!«. Es war aufregend, und es lenkte mich von dem ab, was King zugestoßen war.
Dann setzte das Unwetter wieder ein und machte unserem Spaß ein jähes Ende. Jeff und ich flitzten zur Bar zurück und schlichen von der Gasse aus hinein. Wir hielten uns gebückt, als wir uns in den Schankraum bewegten, und im Krebsgang krabbelte ich dorthin, wo Dad stand und sich mit drei Cowboys unterhielt, die ich nicht kannte. Jeff krabbelte hinter mir her.
»Sportsfreund, was macht ihr denn da?«, fragte Dad. Er zog mich zu sich heran und wuschelte mir das Haar.
»Uns nur vor dem Regen unterstellen.«
»Setzt euch, Jungs!«
Wir taten wie geheißen, anscheinend zum Missfallen von Dads Freunden. Nick Geracie brauchte nicht lange, um uns aufzustöbern.
»Absolut nicht!«, sagte er. Er kam auf den Tisch zu und wedelte mit dem Finger. »Raus hier, ihr zwei! Jeff, du solltest es besser wissen. Raus hier, sonst erzähl ich das deinem Vater.«
»Aber Nick«, protestierte Dad. »Es regnet.«
»Ja?«, sagte Nick. »Vielleicht solltest du und auch der Junge besser nach Hause.«
Dad sah mich an und zuckte mit den Achseln. Nach Hause würden wir nicht fahren. So viel stand fest.
Auf der Treppe vor dem Eingang zur Bar, durch die Markise vor Regen geschützt, diskutierten Jeff und ich, was wir machen sollten.Er wollte wieder zur Polizeiwache, aber ich hatte keinen Bock, Pete noch mal zu sehen. Während wir verschiedene Möglichkeiten durchgingen, sah ich, wie Maries Skylark vor dem Livery hielt.
Als sie ausstieg, stieß Jeff einen Pfiff aus. Sie trug ein schwarzes Kleid mit einem so offenherzigen Ausschnitt, das völlig unpassend für das Wetter oder den Ort war. Nicht dass sich jemand darüber beschweren würde, schon gar nicht die beiden Jungs, die immerhin noch ein paar Jahre von krudem Sex entfernt waren.
Marie eilte auf dem Gehweg auf uns zu, so schnell es ihre zehn Zentimeter hohen Absätze zuließen. Sie eilte an mir vorbei zu Jeff.
»Wie gehts dir denn so?«, fragte sie und drückte ihn fest an sich. »Ich hab dich ja so lange nicht gesehen.«
»Gut, Ma’am.«
»Und deinem Dad?«
»Dem gehts auch gut.«
»Also«, sagte sie, »ich geh lieber rein. Zu ungemütlich hier draußen.«
Sie schlüpfte durch die Tür, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.
Jeff starrte ihr nach.
»Was war das denn?«, fragte ich.
»Keine Ahnung. Das war ziemlich cool. Sie riecht wunderbar.«
Jasmin. Ich
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