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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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Wohnmobil mit zu den Bohrstellen, das war nicht so teuer wie die Unterkunft in einem noch so billigen Motel. Im Winter, wenn es schon schwergenug war, die Ausrüstung zu bewegen, blieb das Wohnmobil auf seiner Ranch in Montana. Beim Näherkommen musterte ich Dads große, robuste Superkabine. Mir sank das Herz, als ich mein Motor rad nicht auf dem Platz fand.
    »Sieht so aus, als wären sie zu Hause«, sagte Marie.
    »Ja.«
    Sie kam mir endlos vor, die Zeit, die Marie brauchte, um den Wagen zu parken und den Kofferraum zu öffnen, sodass ich meine Tasche schnappen und zu Dad hineinlaufen konnte.
    Er saß auf dem Sofa, als wir hereinkamen. Das Arbeitshemd hatte er bereits ausgezogen, zusammengeknüllt lag es auf dem Boden. Um ihn verstreut lagen Karten von den Standorten, die er zurzeit bearbeitete und die er durch eine Zweistärkenbrille studierte. Diesel und Staub, die Rückstände von Dads Arbeitstag, hingen in der Luft.
    »Hi, Dad.«
    Mein Vater sah grinsend zu mir auf. »Wie gehts, Sportsfreund? Wie war die Reise?«
    »Gut. Zum größten Teil.«
    »Zum größten Teil?«
    »Er hatte ein kleines Problem auf dem Flug nach Cedar City. Musste sich erbrechen«, sagte Marie. Sie beugte sich über Dad und küsste ihn auf die Stirn.
    »Bist du okay?«, fragte er.
    »Ja.«
    Ich nahm mein Sommerhaus in Augenschein. Ich dachte mir, dass Dad und Marie hinten im Schlafzimmer bleiben und ich auf dem Klappsofa übernachten würde. Ich begann mir Sorgen wegen Jerry zu machen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das ausgezogene Sofabett mit mir teilen wollte, genauso wenig wie ich mit ihm. Der Holiday Rambler erlaubte kaum eine Privatsphäre unter optimalen Bedingungen. Falls ich mit meinem älteren Bruder zusammen schlafen sollte, gäbe es gar keine.
    »Wo ist er?«, fragte ich.
    »Er ist bei diesem Mädchen.« Dad spie die Worte aus.
    »Wohnt er hier?« Dad, der schon wieder seine Karten studierte, antwortete nicht.
    »O nein«, sagte Marie. »Jerry wohnt nicht hier.«
    »Er hat sich zusammen mit dem anderen Handlanger was gemietet«, sagte Dad.
    Hätte ich meinen Vater nicht so gut gekannt, wäre es mir vielleicht seltsam vorgekommen, dass er Menschen schlicht als »Handlanger« bezeichnete und keine Ausnahme für seinen Sohn machte. Aber genau das waren Arbeiter für Dad: Menschenmaterial, Mittel zum Zweck. Manchmal verschliss er sie so schnell und gnadenlos, dass es kaum der Mühe wert war, die Namen zu kennen, außer zum Ausstellen von Lohnschecks.
    »Ist Jerry ...«
    »Mitch, hör mal, ich bin beschäftigt«, sagte Dad. »Im Büro gibt es Spiele. Warum gehst du nicht rüber und spielst ein bisschen?«
    Marie, die gerade im Bad an ihren Haaren herumzupfte, kam spontan heraus. Sie griff in ihre Geldbörse, holte Kleingeld heraus und schüttete es in meine aufgehaltenen Hände.
    Rund eine Stunde später kam Marie ins Büro und kündigte an, dass wir auswärts essen würden.
    »Fühlst du dich dafür fit genug?«, fragte sie.
    »Ja, ich bin okay.«
    »Dein Dad freut sich echt, dich zu sehen«, sagte sie. »Er versucht nur gerade, die Arbeit für die nächste Woche oder so zu planen. Er ist ein bisschen kaputt. Das verstehst du doch?«
    »Klar.«
    Marie hielt mir die Hand hin, und ich nahm sie, als wir zum Wohnmobil zu Dad zurückgingen. Dann gingen wir alle zusammen zu einem Diner um die Ecke.
    Jerry und seine Freundin warteten auf uns in einer Nische. Um ein Haar hätte ich ihn nicht erkannt. In dem einen Jahr, seit er weg war, hatte er sehr zugenommen, und augenscheinlich waren das Muskeln. Jerry war ohne jeden Zweifel Dads Sohn; er war ihm
    wie aus dem Gesicht geschnitten, dieselben kantigen Züge, wie aus Stein gemeißelt. Jerry hatte sich auch einen kräftigen Bart wachsen lassen.
    »Bruderherz«, sagte er und versetzte mir einen Rippenstoß, als ich an den Tisch kam. Ich lächelte ihn an, ebenso das hübsche Mädchen an seiner Seite.
    »Hey, das ist Denise.«
    »Hi«, sagte ich.
    »Ich hab schon viel von dir gehört, Mitch.«
    Dad und Marie rutschten auf die Plätze gegenüber von Jerry und Denise. Sogleich rückte Denise näher an meinen Bruder, klopfte auf den leeren Platz neben sich und winkte mich zu sich.
    »Was hast du denn vor, Pop?«, fragte Jerry.
    »Ich hab mir das angesehen. Ich glaube, wir sollten morgen aus unserem Standort abziehen und in dem neuen Abschnitt auf der anderen Seite des Highways beginnen. Dort sind wir ganz allein.«
    In Dads Geschäft verdiente derjenige die meiste Kohle, der am

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