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Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde

Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde

Titel: Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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Fragen ausführt oder ausführen will, der den Sohn noch das Brandholz schleppen lässt, den Sohn belügt, als der nach dem Opfertier fragt, den Sohn fesselt und auf den Altar zwingt, der Altar ist Schlachtplatz und Feuerplatz in einem,
und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete,
wenn nicht im letzten Augenblick der Engel aufgetaucht wäre und den Sohn gerettet hätte vor dem Vater, der auch noch ausführlich gelobt wird,
denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen,
da ist das glückliche Ende, ein Widder wird geschlachtet und verbrannt, aber wo ist der Sohn, was denkt der schreckstarre Isaak, was dachte ich, wie konnte ich mich sicher und angenommen und aufgehoben fühlen von der
frohen Botschaft
eines Herrn, der meinem frommen Vater ähnliche Prüfungen abverlangte, wie weit würde mein Vater gehen in einer vergleichbaren Situation, wäre ihm Gott lieber als seine Kinder, als ich, gab es nicht irgendwo in der Bibel den Satz:
wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert,
und warum wurde jeder am Geburtstag früh morgens von der übrigen Familie, die in Schlafanzügen, Bademänteln oder in Tageskleidern antrat, mit dem Choral
Lobet den Herren
geweckt, der mit der Zeile
Abrahams Namen
oder
Abrahams Samen
an das Messer zwischen Vater und Sohn erinnerte, mein Vater hatte die Choräle und die Gewalt auf seiner Seite, das Messer sonntags am Braten, manchmal hatte er mich geschlagen, mit der Hand auf den Hintern, mit dem Teppichklopfer auf den Hosenboden, bis ich schrie und schrie und er die Lüge oder den kleinen Diebstahl genug bestraft fand, oder er stimmte mit der Mutter ab, ob ich fünf oder zehn oder zwanzig Schläge bekommen sollte und führte den Beschluss aus gegen mein Wimmern und Schreien, wie weit ließ sich die Gewalt steigern,
dass er seinen Sohn schlachtete,
wir lebten in anderen Zeiten, geschlachtet wurden die Schweine auf dem Bauernhof, an den Ohren gezogen und mit Mistgabeln aus dem Stall getrieben, der Hausschlachter betäubte das Schwein mit einem Bolzenschuss, spaltete den Schweinskörper und kreuzigte ihn mit dem Kopf nach unten, wir zahlten Herrn Mücke, Flüchtling aus Schlesien, ein paar Groschen, damit er uns Hühner und Kaninchen schlachtete, trotzdem sah ich das Messer in Vaters Hand und konnte mir doch kein Schlachtemesser in seiner Hand vorstellen, was für ein Gott war das, der die Kinder der Frommen foltert mit der Idee, jederzeit geschlachtet werden zu können, nur weil der Herr des Himmels und der Erde Probleme mit der Treue seiner Gefolgschaft hat, was für ein Gott, der sonst jede Lüge verbat und hier den Vater zum Lügen zwang, was für ein Gott, der auch die Väter foltert und ihnen das Schlachten der eigenen Kinder befiehlt, als ob es keine anderen Beweise für die
Gottesfurcht
gäbe, welche Freude empfindet der große grausame Unsichtbare daran, das Töten als Liebesbeweis zu verlangen, der Engel kam zu spät, das spitze Messer verschwand nicht aus der Vaterhand, Isaak wehrte sich nicht, er suchte noch in dem Moment, da er die Situation begriff oder doch nicht begriff, Schutz an der mächtigen Vatergestalt, der Engel kam zu spät, der Schmerz war nicht mehr zu stillen, ich sah das Messer in Isaaks Herz, sah ihn bluten, sah ihn tot, und der Engel, der, vor der Bergkulisse schwebend, mit einer Hand den Widder an den Hörnern packte, den Ersatz für den Sohn, legte die andere Hand schützend über Isaaks Kopf und bremste den Schwung, mit dem der Vater gerade zustechen wollte, der Engel kam zu spät, das Ungeheuerliche war bereits geschehen, obwohl der Mord gerade noch abgewendet war, das Ungeheuerliche war das Spiel mit der Grausamkeit, das Spiel mit dem Leben des Kindes, die Quällust eines Allmächtigen und der traurige Gehorsam seines Dieners, das Ungeheuerliche war, dass der Schrecken des Kindes keine Rolle spielte in der Geschichte und ich mit dem Schrecken allein blieb.

Sind die Ungarn zu stoppen? Was konnte ich tun, die Ungarn zu stoppen? Ich stellte mich auf den Kampf gegen die Ungarn ein, alles eine Frage der richtigen Verteidigung, ich spielte am liebsten Verteidiger, weil ich nicht schnell war als Stürmer, mich nicht als Torwart blamieren und nicht feige sein wollte. Meine Phantasie flog voraus zu dem fernen Spiel, ich sah die stürmenden Ungarn auf mich zukommen, fünf Stürmer gegen einen Verteidiger, ich sah mich auf dem Spielfeld, es war nicht

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