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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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des Gegen-Zorns getanzt hatten. Neds Mobiliar, wenn ich so sagen darf, bestand aus Säcken und geknülltem Papier, billig mit Good Will gemischt. Ich fühlte mich jung in dieser Umgebung.
    Er sagte: «Eins von unseren Gemeindemitgliedern hat mir erzählt, du hättest dich Ende der sechziger Jahre geweigert, an Friedensmärschen teilzunehmen.»
    War es ein Gemeindemitglied gewesen oder Alicia, fragte ich mich. «Soweit ein Friedensmarsch dem Ziel dient, zu verkünden, daß Frieden hübscher ist als Krieg, ist es ganz gewiß ein lächerliches Unternehmen. Die Frage ist, solange wir auf Christi Wiederkehr warten, ob Krieg wirklich immer die schlimmste aller Möglichkeiten ist. Die Bibel sagt nein. Ich sage auch nein. Du hast recht, ich haßte die Friedensbewe gung mehr als den Krieg – sie war näher. Moralisch gesehen waren die Friedensmarschierer Kriegsgewinnler.»
    «Wieso das?»
    «Es war ein Schiebergeschäft um Macht. All die Nutznießer und Parasiten des Systems, das der arme Johnson im Schweiße seines Angesichts zu retten suchte – die College-Jünglinge, die gelangweilten Hausfrauen, die Professoren und Pastoren und die kleinen Könige der Computertechnik –, dachten, sie könnten die bösen alten Industriebarone und ihre Cowboys von ihren Stühlen verdrängen. Es war ein Kampf der Neureichen gegen die alten Reichen, und die Neureichen sahen, was die alten Reichen nicht gesehen hatten, daß nämlich Freiheit nur ein anderes Wort für Nichtstun oder Wenig-Tun ist. Die Neureichen erkannten, daß man mit den neuen Halsabschneidern des Kollektivismus gemeinsame Sache machen konnte, 1984 war überall im Kommen, und Gott sei Dank gewannen Nixon und seine Gauner, wenn ich mich auch nicht überwinden konnte, für ihn zu stimmen.»
    Ned blinzelte. Mein Reden strengte ihn an. «Du rechnest die Geistlichen also auch zu den Parasiten?»
    «Ein Mann, der den Ruf vernommen hat», sagte ich, «wird mit Freuden Parasit in jedem lebenden Monstrum sein. Insoweit als wir essen, du und ich, dienen wir dem Mammon. Aber vielleicht ist in uns oder sollte in uns ein kleines Etwas sein, das nicht ißt, das es verachtet, zu essen.»
    «Verachtung», sagte er, «steckt hinter vielem von dem, was du sagst. Deine politische Indifferenz, zum Beispiel.»
    «Ich bin nicht indifferent», protestierte ich, «ich bin entschieden pro Cäsar. Sein Gesicht ist auf der Münze, sieh es dir an. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Weißt du, wer den untersten Kreis der Hölle mit Judas teilt? Brutus und Cassius. Sogar dort siegt Cäsar über Jesus mit zwei Stimmen zu einer. Irgendwo heißt es bei Karl Barth: ‹Was soll der Christ in der Gesellschaft anderes tun, als achtzugeben auf das, was Gott tut.› Was Gott in der Welt tut – das ist Cäsar.»
    «Gibt es nicht bessere und schlechtere Cäsaren?»
    «Ich neige dazu, dem Cäsar zu vertrauen, der an der Regierung ist, im Gegensatz zu dem, der kommen könnte. Dieser Cäsar hat uns wenigstens leben lassen, was bei dem nächsten nicht so sicher ist.»
    «Glaubst du», fragte Ned und nuckelte an der Pfeife, die gut zu seiner tertianerhaften gedehnten Sprechweise paßte, «daß du beispielsweise in Stalins Rußland dem Cäsar vertraut und gedient hättest?»
    «Wahrscheinlich.» Ich war ihm dankbar, daß er diese Konsequenz sah und mich stoppte. Mein Kopf und meine Zunge rotierten in einer ärgerlichen Gereiztheit, die ich nicht verstand und die mir nicht gefiel.
    «Weißt du, diese Sache mit dir und Barth …» fuhr er fort. «Wir mußten ihn im Seminar lesen. Es war eindrucksvoll insofern, als er nicht kriecht wie die meisten modernen.» Das hatte er doch nicht nötig, sich mit albernen Betonungen für seinen Ernst zu entschuldigen. Mir wurde klar, daß er auch noch, wenn er Ratschläge erteilte, befangen und unsicher war. Ironie ist die äußere Verpackung unserer Feigheit. «Aber nach einer Weile begriff ich, warum das so ist», sagte Ned. «Es ist Atheismus. Mit ihm enthauptet Barth alle liberalen, synthetisch vorgehenden Theologen, und dann, in der letzten Minute, schnippt er das ‹A› weg und sagt: ‹Hokuspokus! Theismus!› Es ist Taschenspielerei, Tom. Es begründet eine Diastase, die dem Menschen kein Gegenüber mehr läßt, nur diese frohlockende Leere. Dieses schreckliche, absolut unerkennbare Andere. Es erzeugt Verzweiflung. Ich bin davon abgekommen – mit um so mehr Achtung vor Tillich und Bultmann; es ist wahr, sie verkaufen alles zu kleinen Preisen, aber wenn sie den Ausverkauf

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