Der Sonntagsmonat
unserem Nest herausgewagt hatte.
«Was hast du dabei empfunden?» Flehend fragte ich nach ihrer Begegnung mit Alicia, jetzt bereits, keine drei Stunden, nachdem ich sie verleugnet (kein Hahn krähte), hungrig nach dem Klang des Namens meiner Geliebten, nach einem flüchtigen Blick auf ihre Gesten, selbst durch unfreundliche Augen, nach irgendeinem kleinen Stückchen von der anderen Welt, in der meine kraftlose andere Gestalt verklärt dalag.
«Oh», sagte Jane zerstreut und versuchte zurückzudenken, kam aber, da sie zuviel Sherry getrunken hatte, nicht ganz durch – ich sehe uns in unserem freudlosen, spärlich beleuchteten Schlafzimmer vor mir, sie streckt gerade die Hand nach ihrem Nachthemd aus, einem schäbigen Baumwollzelt, auf das sie in einem Roman einer der Alcott-Schwestern gestoßen sein mußte –, «es war nicht weiter schlimm. Es war wie auf der Bühne. Sie kam mit erhobenen Fäusten auf mich zu. Es hat mir weniger ausgemacht, als ich gedacht hätte.»
«Welches war der schlimmste Augenblick?»
«Als sie sagte, sie liebte dich und du liebtest sie.»
«Und was hast du darauf gesagt?»
«Ich habe gesagt, ich liebte dich auch. Und du liebtest mich.»
Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie das gesagt hat, deshalb habe ich es weggelassen. Auch erinnere ich mich nicht, wie ich in der riesigen Dunstwolke von Wörtern, die wir in jener Nacht hervorbrachten, auf ihre vernichtende Erklärung reagierte. Nicht noch mehr Dialog: ich sehe deinen Blaustift, idealer Leser, unter deiner blauen Nase zucken. Jane war ihrem Verhalten nach betrunken und traurig, beklagte sich aber nicht, sondern war eher auf vornehme Weise vernünftig. Nachdem sie mir nunmehr die Freiheit angeboten hatte, nagelte sie mich nicht fest, sondern beließ es dabei, daß ich, wenn es mir gelänge, «Ordnung in meine Prioritäten zu bringen» (das war ein Hauch echt Chillingworthscher Trockenheit), zu einer, zu mehreren Entscheidungen kommen würde. In Wahrheit hatte ich gar nicht die Absicht, Entscheidungen zu treffen, die andere (sprich: Gott) für mich treffen konnten. Ich faßte, nachdem ich mich gegen eine Heirat mit Alicia entschieden hatte (oder Gott veranlaßt hatte, Seine Entscheidung durch mich zu verkünden), nicht einmal den Beschluß, nicht mehr mit ihr zu schlafen; dies entschied sie, wie ihr Verhalten – ausdruckslos, verklemmt, frostig (das läuternde Gespräch mit Jane hatte sie zu ihrem Nachteil verändert) – in den darauffolgenden Tagen deutlich erkennen ließ; wir sprachen zwar miteinander, doch nicht mehr als zur Fortsetzung unserer beruflichen Zusammenarbeit notwendig war. Während Alicia damals die unauffällige, männliche Pose einer Abwehrhaltung einnahm, indem sie die Starrheit dessen, der sich verkalkuliert hat, mit der Steifheit dessen, dem Unrecht geschah, verband, plusterte Jane sich auf; an so manchem Abend nahm sie ihre Zuflucht zu immer mehr Sherry und Einzelheiten meiner Romanze, durch die ich, je mehr sich daraus eine phantastische Geschichte von Abenteuern und Wundern entwickelte, mehr und mehr zu einem Helden wurde. Daß Alicia, die unverheiratete, die ungebundene Frau, mich als Liebhaber zu schätzen gewußt hatte, war der diskret ausgesparte Angelpunkt ihrer Faszination. Und als ihr nach einer Reihe von Tagen meine Melancholie bestätigte, daß Alicia sich zurückgezogen hatte, begann Jane wie eine vorsichtige Katze, die allmählich überzeugt ist, daß die Schale mit Milch ihr ganz allein gehört, zu schnurren. Sie offenbarte mir, was in neunzehn Ehejahren nie wirklich deutlich geworden war, ihres Körpers Bedürfnis nach mir. Obwohl ich das Gefühl hatte, daß mein Körper in ihren Augen eine Art Schatten von Alicias Körper war, im Wert gesteigert durch die geheime erotische Achtung vor der anderen Frau (Frauen hatten gerade begonnen, einander «Schwester» zu nennen), fügte ich mich. In meiner Finsternis gab es nichts anderes. Nichts als diese sanktionierte Brunst. Wenn ich dann neben ihr lag, neben meiner gesättigten, schnarchenden Gefährtin, überkam mich die panische Angst des Eingeschlossenen, denn auch die letzte Ritze in dem vollkommenen Gefängnis meiner guten Frau war jetzt vernagelt. Sie war «gut im Bett» geworden.
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Eine Unglückszahl, aber Sonntag. Lieben Brüder, kann es sein, daß eine weitere Woche verflogen ist, in dieser Schnelligkeit, eine Woche der Wörter, des mittelmäßig gespielten Golfs (ich dachte schon, ich hätte es geschafft, 80 in Sicht, ich schwör’s, als
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