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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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Decke befanden sich zwei runde Oberlichter. Harry fand eine ungeöffnete Schachtel Ritz-Cracker und ein Glas Erdnussbutter. Auf der Arbeitsplatte aus geflecktem Granit machte er Minisandwiches und häufte sie auf einem Teller auf.
    Lily saß am ovalen Eichentisch, die Hände gefaltet, und summte leise vor sich hin. Ezra setzte sich neben sie und zog eine Augenbraue hoch.
    »Ich mag sie«, sagte er. »Ich habe noch nie eine … einen geistesgestörten Menschen kennengelernt.«
    »Nein?«, entgegnete Harry. »Na, jetzt hast du die große Gelegenheit. Das ganze Haus ist voll von ihnen.«
    Harry brachte den Teller zum Tisch und legte Lily eine Hand auf die Schulter. Sie spitzte die Ohren, als hätte sie nicht die Berührung gespürt, sondern ein Geräusch gehört.
    »Wer ist da?«, fragte sie.
    »Ich. Harry.«
    Ezra steckte sich einen der bestrichenen Cracker in den Mund.
    »Ich weiß etwas«, sagte Lily. Ihre Stimme klang wie Fingerspitzen auf Samt.
    Harry setzte sich grinsend neben sie und nahm ihre Hände. »Okay, Schwesterherz«, sagte er, »was weißt du denn?«
    »Ich weiß, warum Harry traurig ist.«
    Bei ihren leisen Worten richtete er sich auf und ließ ihre Hände los.
    Lily wandte sich Ezra zu und schloss eine Hand um sein Handgelenk. »Komm, wir singen«, sagte sie.
    »Okay«, erwiderte der Junge.
    Sie stimmte ein Wiegenlied an. »Rock-a-bye baby, in the treetop   …«
    Ezra fiel ein. »When the wind blows the cradle will rock.«
    In Harrys Ohren klang das Lied wie trauriger Glockenschlag. »Ezra«, sagte er, »hör auf. Sing nicht mit.«
    Der Junge unterbrach sich und sah Harry verunsichert an.
    Lily sang weiter: »When the bough breaks the cradle will fall   …«
    »Lily, sei jetzt still.«
    »And down will come   …«
    »Lily!«, brüllte Harry.
    Ihre Lider schlossen sich, und Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »Harry«, sagte Ezra. »Was … was ist denn los?«
    »Nichts. Sie ist geistesgestört.«
    »Aber sie weint. Warum weint sie?«
    Müde stand Harry vom Tisch auf. »Sie weint um ein kleines Mädchen«, sagte er und verließ die Küche.
    ***
     
    Im Obergeschoss stand Geiger unter der Dusche, den Kopf gesenkt, die Hände flach an der Wand. Er duschte mit kaltem Wasser, damit es zu keinen neuen Blutungen kam, aber was in den Abfluss lief, hatte einen leichten Rosastich. Die Fliesen derDuschkabine waren widerlich grün, und Geiger fragte sich beiläufig, ob Corley die Farbe selbst ausgesucht oder sich dem Wunsch von jemand anderem gebeugt hatte.
    Geiger trat aus der Duschtasse und trocknete sich vorsichtig mit einem Handtuch ab. Im ovalen Spiegel über dem Waschbecken sah er einen deckenhohen Spiegel an der Tür hinter sich. Er drehte sich um und musterte sich selbst.
    Das Ausmaß seiner Verletzungen erschwerte es ihm, seinen ganzen Körper auf einmal zu betrachten, denn die vielen Wunden rangen geradezu um Aufmerksamkeit: der hässliche rote Kreis mit dem Stich im Mittelpunkt auf der linken Wange; die verfärbten Prellungen auf der Brust und den Streckermuskeln; die drei langen, eigenhändig genähten Schnitte im Oberschenkel, an deren gezackten Rändern frisches Blut schimmerte. Geigers Blick zuckte von einer Wunde zur anderen, und heißer, brennender Schweiß trat ihm aus den Poren.
    Ihm wurde schwindlig. Mit zitternder Hand hielt er sich am Waschbecken fest und setzte sich auf die Toilettenschüssel. Der Mechanismus seines Gedächtnisses arbeitete quälend langsam und zerrte nacheinander verschiedene Eindrücke aus dem schwarzen Raum seines Geistes ans Licht: eine vom Feuerschein erhellte Klinge in einer geschwollenen Faust; Blutstropfen auf einem rauen Holzboden; fuchsartige Silhouetten, die Fleisch von Knochen reißen …
    Einen Augenblick lang richtete Geiger seine ganze Energie auf das Muster der Bodenfliesen, die aus kleinen Achtecken bestanden. Das Labyrinth aus schwarzen Linien hielt stand, verankerte seine Sicht, hielt sie fest.
    Der Mahlstrom versiegte.
    ***
     
    Hall fand eine Stelle, an der er von der Straße abbiegen konnte. Er fuhr zwanzig Meter weit in den Wald, schaltete die Scheinwerfer aus und stellte den Motor ab. Mitch und er drückten die Fensterheberknöpfe. Die dunkel getönten Scheiben fuhren mit einem Summen hinunter, das augenblicklich von einer Woge aus Zikaden- und Grillenzirpen übertönt wurde. Auf einem Ast ganz in der Nähe erklang ein Eulenschrei.
    »Menschenskind«, sagte Mitch. »Wann hast du zum letzten Mal so ein Vieh gehört?«
    Hall griff ins

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