Der Spezialist: Thriller
Spiralen bedeckt. Als er versuchte, die Tür zu öffnen, stellte er fest, dass sie verriegelt war. Wieder schlug er mit der Luftpumpe gegen die Scheibe. Ein münzgroßes Spinnennetz entstand im Glas.
»Komm raus, du Drecksau!«
In Geigers Ohren klingelte es. Sein Schädel fühlte sich seltsam überfüllt an, als wäre sein Gehirn für das Gehäuse zu groß geworden. Seine Blicke huschten vor und zurück, nahmen gleichzeitig auf, was vorn durch die Windschutzscheibe und nach hinten im Innenspiegel zu sehen war: Scheinwerferlichter näherten sich im strömenden Regen. Noch war es weit weg, kam aber rasch näher.
»Kommst du jetzt raus, oder soll ich reinkommen?«
Geiger wandte sich wieder dem Radfahrer zu – und dort war er, dort vor dem Fenster, ein Mann im Overall mit breiter, niedriger Stirn, die vor Schweiß glänzte. In der Hand hielt er etwas Dünnes, Funkelndes. Einen halben Herzschlag lang stand sein Vater vor ihm. Dann war er wieder fort.
Erneut krachte die Luftpumpe gegen das Fenster, und die Scheibe zerbarst in Tausende kleiner Rauten. Der Fahrradfahrer griff hindurch und krallte sich in Geigers Overall.
»Komm raus, du Arschloch!«
Geigers rechte Hand schoss zum Fensterrahmen, packte den Fahrradfahrer beim Haar und zog ihn halb hindurch. Der Mann fluchte und versuchte, die Arme durch die Öffnung nachzuziehen, um sich wehren zu können, aber Geiger bohrte ihm dieFingerspitzen der linken Hand in die weiche Grube über dem Schlüsselbein. Aus den Flüchen wurden Schreie.
Geiger zerrte den Mann weiter, bis beide sich fast mit den Nasen berührten. Er verringerte den Druck, und das Schreien hörte auf.
»Verschwinden – Sie – sofort«, sagte Geiger.
Der Mann starrte ihn mit großen Augen an, atemlos, Perlen aus Regentropfen im Gesicht.
»Haben – Sie – verstanden?«, fragte Geiger.
Der Radfahrer nickte. Geiger ließ ihn los, und der Mann wand sich aus dem Fenster, stolperte auf die Straße und hielt sich mit beiden Händen den Hals.
Geigers Fuß fand das Gaspedal, und er fuhr davon. Die Spitze der Tachonadel hielt er genau auf der 35.
***
Geiger wohnte in einem ruhigen Häuserblock. Außer dem Regenwasser in den Rinnsteinen bewegte sich hier zu dieser Stunde nichts. Wohnhäuser gab es hier nur wenige, und der Laden für Berufskleidung und die Bodega öffneten erst um sechs, die Autowerkstatt und die Einlagerungsfirma eine Stunde später. Geigers Haus stand zwischen einem Geschäft für Sanitärbedarf und einem leer stehenden Laden, ein zweistöckiges Gebäude von sieben mal zehn Metern Grundriss aus braungelben Ziegeln. Die Fenster waren vernagelt, und das nicht erst seit gestern.
Das Haus hatte einem Serben gehört, mit dem Geiger bei den Sanierungen zusammengearbeitet hatte. Wenn die Arbeit knapp wurde, bot der Serbe den Kollegen chinesisches Essen an für Hilfe bei der Entkernung des Gebäudes, und ehe Geiger sich auf seine jetzige Branche verlegte, hatte er ein gutes Dutzend Nächte lang morsche Wände und modrige Böden eingerissen. Fünf Jahre später war er zurückgekehrt. Bretter verdeckten die Fenster, und der Müllcontainer in der Gasse war mit Trockenmauerbruch gefüllt, der so schimmlig war, dass der Container schon mehrere Monate lang nicht mehr geleert worden sein konnte. Doch der Serbe wohnte noch immer dort und bat Geiger ins Haus. Er erzählte, ihm sei das Geld ausgegangen, und sein Traum sei gestorben. Noch am gleichen Nachmittag wurden Geiger und er handelseinig, und zwei Tage später bezahlte Geiger den Preis für das Haus in bar. Zwei Drittel des Kaufpreises besaß er selbst, den Rest lieh er sich zu Freundschaftskonditionen von Carmine Delanotte.
Geiger hatte alle Arbeiten am Haus allein ausgeführt. Das Obergeschoss wärmeisolierte er und schloss es dann ab. Er legte neue Strom-, Wasser- und Sanitärleitungen. Ehe er die Gipskartonplatten anbrachte, setzte er vor sämtliche Wände eine deckenhohe Lage Betonziegel, von denen jeder vierte mit einer Richtladung aus Nitroglyzerin und Hexogen gefüllt war, die nach innen detonieren würde. Er strich die Wände in einem weichen Grau aus einem Baumarkt.
Dann begann er mit dem Fußboden.
Den Entwurf hatte er schon jahrelang im Kopf gehabt. Drei oder vier Tage in der Woche machte er auf Baustellen in Brooklyn und Harlem die Runde – Mietskasernen, Reihenhäuser, Fabriken – und suchte alte Bodenbretter, die nicht mehr gebraucht wurden und die er billig aufkaufen konnte. Manchmal nahm er eine Zweimeterplanke
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