Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
und sehe nach, ob Max schon
wach ist. Vielleicht kann ich mir sein Auto leihen und dich selbst hinfahren.«
    »Oh gut, dann kannst du bleiben
und mir mit Miffy helfen.«
    »Auf gar keinen Fall. Ich habe
hier mehr als genug zu tun. Außerdem möchte Max seinen Wagen sicher bald
zurückhaben.«
    »Aber für eine alte Freundin
wie Miffy könnte er doch -«
    »Max hat Miffy gestern zum
ersten Mal in seinem Leben gesehen, und ich wage zu bezweifeln, ob er sie
jemals wiedersehen möchte.«
    »Aber Alice B. kannte doch ihn
und diese Tante von ihm oder wer das war, bei der er gewohnt hat. Ich habe
nicht richtig verstanden, worüber sie gesprochen haben, aber ich habe genau
gehört, daß Alice B. etwas über eine Frau namens Bertha gesagt hat.«
    »Ah, tatsächlich? Da muß ich
mich mal erkundigen. Komm, ich schneide dir noch ein Stück Kuchen ab. Dann
rufst du vielleicht am besten Pussy an, wenn sie dir nicht zuvorkommt. Ich
nehme an, daß die Leitungen gleich heißlaufen.«
    Eigentlich hätte Sarah einfach
im Kutscherhaus anrufen können. Die alte Verbindung, die früher von der Küche
hinunter zum Kutscherhaus geführt hatte, gab es natürlich schon seit Ewigkeiten
nicht mehr, aber Max hatte sofort einen Privatanschluß legen lassen, als sie
beschlossen hatten, daß er die Wohnung beziehen würde. Aber sie wollte nicht
mit ihm sprechen, wenn Tante Appie im Hintergrund zischelte, außerdem wäre es
dumm, eine Fluchtmöglichkeit ungenutzt zu lassen.
    Sarah fand es herrlich, an
einem Morgen wie diesem draußen zu sein. Vom Boden stieg Nebel auf, und das
nasse Gras berührte ihre nackten Knöchel, als sie den ungemähten Hügel
hinunterlief, statt gesittet dem Fußweg zu folgen. Sie kam sich zwar
niederträchtig vor, weil sie den schrecklichen Tod von Alice B. als eine
persönliche Erleichterung empfand, aber sie hatte sich schließlich noch nie
etwas vorgemacht, und allmählich hatte sie absolut genug davon, am
Frühstückstisch zu sitzen und immer nur zu allen lieb und nett zu sein.
    Besonders zu Leuten, die
einfach in ihr Schlafzimmer platzten und ihr Tee auf den Hals tropfen ließen,
noch bevor sie überhaupt die Augen geöffnet hatte. Sarah hatte gehofft, daß
dies ein ganz besonderer Sommer werden würde, vielleicht war es ja sogar der
letzte, den sie je in Ireson’s Landing verbringen würde. Es war schon jetzt
genügend schiefgegangen, weil wieder alle versuchten, ihre Pläne über den
Haufen zu werfen. Tante Appie war zwar eine liebe Seele, aber sie war auch eine
schreckliche Nervensäge. Wenn sie drüben bei Miffy war, statt ihr vor den Füßen
herumzulaufen, würde das für sie eine echte Erleichterung bedeuten.
    Inzwischen hatte Sarah das
Kutscherhaus erreicht. Als sie versuchte, die Außentür zu öffnen, stellte sie
fest, daß diese nicht abgesperrt war. Sie mußte Max unbedingt daran erinnern,
sie richtig zu verschließen, dachte sie, aber viel Sinn hatte es sowieso nicht,
denn hier unten gab es absolut nichts, was es wert wäre, gestohlen zu werden.
Der obere Teil des Hauses war sicher abgeschlossen. Vermutlich wäre es besser
gewesen, einen separaten Eingang für die Wohnung einbauen zu lassen, aber es
gab nun einmal keinen, lediglich eine Treppe mit einem bemerkenswert eleganten
Geländer mit geflochtenem Gitterwerk, die vom Inneren des ehemaligen
Sattelraumes bis nach oben verlief.
    Sarah hatte sich hier schon
immer gern aufgehalten, besonders an regnerischen Tagen, wenn ihre Eltern im
Haupthaus zu Besuch waren und sie das einzige Kind unter den Gästen war. Hier
konnte man wunderbar Seilchen springen oder mit dem Ball spielen. Einmal hatte
sie sogar versucht, das lackierte Geländer herunterzurutschen und dabei
Splitter in ihren Po bekommen. Sie hatte stillschweigend gelitten, bis sie
wieder zu Hause in Boston waren, und dann lieber die Köchin gebeten, die
Splitter herauszuziehen, als der Mutter alles zu beichten und damit zu
riskieren, daß man ihr verbot, weiter im Kutscherhaus zu spielen. Im großen und
ganzen war sie bestimmt in Ireson glücklicher gewesen als an allen anderen
Orten, an die sie sich erinnern konnte.
    Alexander übrigens auch. Hier
hatte er sich endlich seinem geliebten Milburn widmen können. Hier hatte er
Feuerholz hacken und Treibholz sammeln können, das wunderschöne blaue Flammen
zauberte, wenn man es später in dem riesigen Steinkamin anzündete. Sie hatten
Wildblumen gesucht und gepflückt und Vögel durch ein Fernglas beobachtet, das
für Sarahs Augen immer neu eingestellt

Weitere Kostenlose Bücher