Der Spiegel aus Bilbao
nach.
Kapitel
9
»E twas Gutes hat die ganze schreckliche Sache
wenigstens doch gebracht.«
Sarah und Max saßen allein
draußen auf den Klippen und genossen ihr Picknick, schauten hinunter auf das
Wasser und versuchten, die Verwüstungen unten hinter dem Hügel zu vergessen.
Cousin Lionel hatte seine triefende Campingausrüstung in den Kleinbus gepackt,
seine Brut zusammengetrommelt und war fortgefahren, um die Schlafsäcke im
Waschsalon im Dorf in den Trockner zu werfen, da Sarah so rücksichtslos war,
keinen solchen zu besitzen, und die Sonne ihnen nicht den Gefallen tun wollte,
hinter den Wolken hervorzukommen und die Arbeit kostenlos zu erledigen.
Ganz sicher würde er unterwegs
bei Miffy hereinschauen. Immerhin waren die Aussichten gut, daß er ihren
Trockner benutzen konnte und eventuell sogar mit seinen Söhnen zum Mittagessen
eingeladen wurde. Bestimmt würde er seiner Mutter haarklein erzählen, wie
unfreundlich Sarah ihn empfangen hatte.
Aber was kümmerte sie das!
Vielleicht war Tante Appie so verletzt über Sarahs Kälte und Herzlosigkeit, daß
sie auf der Stelle nach Hause fuhr und niemals wieder zurückkam. Mit etwas
Glück konnte es sogar sein, daß sie in Zukunft vom gesamten Yachtclub
geschnitten wurde. Ein wunderbarer Gedanke. Sarah blickte drohend eine Möwe an,
die lautstark einen Teil ihres Sandwichs forderte.
»Halt den Schnabel, und fang
dir einen Fisch. Ich habe genug von Schnorrern. Max, glaubst du, daß ich
allmählich hartherzig werde?«
»Willst du darauf wirklich von
mir eine Antwort?« Er schob ihren Ärmel hoch und gab ihr einen leicht senfigen
Kuß auf die Ellenbogenbeuge. »Du befindest dich eben momentan in einer
transitorischen Phase, das ist alles.«
»Wo hast du denn das wieder
her? Oh, ich weiß schon. Von dem Psychiater, dem der Patient einen
Toulouse-Lautrec geklaut hatte.«
»Kluges Mädchen. Hier gefällt
es mir übrigens wirklich gut, weißt du das?«
»Mir auch. Ich hoffe nur, wir
können das Haus behalten.«
»Wenn du zwischen dem Haus hier
und dem in Boston wählen müßtest, welches würdest du nehmen?«
»Kannst du dir das nicht
denken? In der Tulip Street bin ich doch inzwischen so gut wie überflüssig
geworden. Theonia, Brooks, Mariposa und Charles kommen viel besser zurecht, als
ich es je geschafft habe. Im Moment habe ich dort nicht einmal mehr ein
Zimmer.«
Sie hatte ihre Zimmer im ersten
Stock Theonia und Brooks überlassen und Theonias altes Zimmer im zweiten Stock
für den Sommer an eine Stipendiatin von Mount Holyoke vermietet, die in Boston
für eine Biographie über die schwarze Dichterin Phyllis Wheatley recherchierte.
Professor Ormsby war inzwischen ausgezogen, und ein Angestellter irgendeiner
Computerfirma, der gerade versetzt worden war, wohnte in Ormsbys ehemaligem
Zimmer, während er nach einem passenden Haus suchte. Sogar Max Bittersohns
Kellerhöhle wurde jetzt von einem mit Charles befreundeten Schauspieler
bewohnt, der die Hauptrolle in einer Show am Wilbur spielte, wenn auch niemand
wußte, für wie lange. Im Herbst stand daher der große Wechsel an, doch darüber
brauchte sich Sarah jetzt noch nicht den Kopf zu zerbrechen. Vielleicht würde
sie sich sogar nie mehr damit beschäftigen müssen.
»Wie mag es wohl sein, wenn man
hier den Winter verbringt?« fragte sie träumerisch.
»Höllisch kalt«, brummte Max.
»Natürlich würden wir nicht in
dem großen Haus wohnen, aber wenn wir das Kutscherhaus richtig isolieren
würden, zwei Öfen aufstellen und eine Küche einbauen ließen -«
»Das klingt ja wunderbar, Kätzele .«
Max nahm ihre Hand und zog Sarah hoch. »Komm, wir fahren einen Ofen kaufen.«
»Warum gehen wir nicht einfach
am Strand spazieren und sammeln Treibholz? Dann können wir uns später vor den
Kamin kuscheln und ernsthaft über das Projekt nachdenken?«
»Willst du denn nicht zu diesem
Yachtclub-Treffen?«
»Was für ein Yachtclub-Treffen?
Ach so, du meinst die Party von Fren Larrington. Natürlich nicht! Warum sollte
ich? Mein Gott, ich kenne Fren doch kaum. Als Alexander noch lebte, hat er mich
immer wie Luft behandelt. Das haben sie alle, mit Ausnahme von Bradley Rovedock
vielleicht, wenn er zufällig da war. Für sie war ich meistens nicht mehr als
irgendein Möbelstück. Keine Ahnung, was sie im Moment alle von mir wollen.
Vielleicht sind sie der Meinung, sie müßten mir in meiner Trauer beistehen,
aber darauf kann ich sehr gut verzichten.«
Sarah ließ sich erweichen
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