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Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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hätten wir im Handumdrehen heut nacht ‘nen Haufen
junger Rabauken hier, die versuchen würden, den Rest auch noch anzuzünden.
Keine Sorge, Miz Kelling. Wir halten die Augen offen. Wenn wir was finden,
sagen wir sofort Bescheid.«
    »Was meinen Sie eigentlich
persönlich zu der ganzen Sache, Jed?« fragte Max.
    »Das waren die verdammten
Bälger von Mr. Lionel, wenn Miz Kelling mir den Ausdruck verzeiht. Weiß nich’,
was es sonst hätt’ gewesen sein können, außer es is’ wer mit’m Ruderboot
aufgekreuzt un’ hat ‘ne Lötlampe an die Schindeln gehalten.«
    »Klingt zwar unwahrscheinlich,
aber man kann ja nie wissen.«
    Max schlenderte hinunter zum
Ufer. Sarah folgte ihm. Inzwischen war Ebbe, und das Felsenfundament war
sichtbar. Sie konnten sehen, wo jemand ein Datum in den Felsen geritzt hatte.
Das mußte das Jahr sein, als das Bootshaus erbaut worden war: 1887. Vor fast
einem Jahrhundert.
    Man hätte dabei an elegante
junge Männer in weichen weißen Flanellhosen und mit buntbebänderten Strohhüten
denken können, die jungen Damen in Musselinkleidern mit Schleiern und
Sonnenschirmen beim Besteigen oder Verlassen der mit Kissen gepolsterten Punts halfen,
wenn man die Kellings nicht so gut gekannt hätte wie Sarah. In Wirklichkeit
hatten die Männer bestimmt einfach das angehabt, was ihnen gerade in die Hände
gefallen war, und die Damen waren auf sich selbst angewiesen gewesen und hatten
verdrückte Baumwollröcke und sandige Leinenschuhe getragen.
    Kissen hatte es schon gar nicht
gegeben. Alle waren sonnenverbrannt und von Insekten zerstochen und fest davon
überzeugt gewesen, daß sie dem Rest der Welt mit gutem Beispiel vorangingen.
Vielleicht hatte das Bootshaus der Welt gar nicht soviel bedeutet, wie die
Kellings immer angenommen hatten; trotzdem bedeutete seine Zerstörung das Ende
einer Ära. Sarah überlief es kalt, und sie dachte nach, ob dies möglicherweise
das Vorzeichen von noch schlimmeren Verlusten sein könnte.
     
     

Kapitel
10
     
     
     
     
     
     
    »I ch sage also zu dem Richter:
›Euer Ehren, warum sollte ich Einspruch erheben? Der Angeklagte weiß, daß er
einen Meineid leistet, Euer Ehren weiß es, der Verteidiger ebenfalls, und die
Geschworenen wissen es auch. Warum sollte ich mir also den kop ferdrehn und Einspruch erheben? Soll er doch reden und seinen Prozeß selbst verlieren.‹«
    Onkel Jake erinnerte Sarah sehr
an ihren geliebten Onkel Jem, bloß daß er eine bessere Figur, einen anderen
Tonfall und noch viel lustigere Anekdoten auf Lager hatte. Sie amüsierte sich
köstlich. Ihr grünes Mitbringsel war begeistert aufgenommen worden, da die
Rivkins weder Platz noch Lust hatten, sich einen Gemüsegarten anzulegen. Miriam
hatte daraus einen wunderbaren Salat kreiert, von dem kein Blättchen
übriggeblieben war, und auch alles andere hatte sehr gut geschmeckt. Sarah
fühlte sich, als hätte sie ein Sofakissen verschluckt. Aber sie würde es sich
morgen schon wieder abarbeiten, wenn sie die ganze Arbeit erledigte, die sie
heute nicht mehr geschafft hatte.
    Mike hatte sich entschuldigt
und war nach Boston gefahren, während sie noch in aller Ruhe frisches Obst aßen
und Tee tranken, und erst als er wieder zurückkam, merkten sie, wie rasch die
Zeit vergangen war. Sarah raffte sich auf und erhob sich.
    »Entschuldigt bitte. Ich habe
mich hier bei euch so wohl gefühlt, daß ich gar nicht gemerkt habe, wie spät es
schon ist. Max, wir sollten jetzt wirklich gehen, damit deine arme Familie
endlich ins Bett kann. Ich bin sicher, daß Ira morgen schon ganz früh arbeiten
muß.«
    »Da haben Sie verdammt recht.«
Ira stand ebenfalls auf. Er war ein gutaussehender Mann mit einem gewinnenden
Lächeln und einem Ansatz von einem Ersatzreifen um die Hüften, was gut zu
seinem Beruf paßte und eine natürliche Folge von Miriams hervorragenden
Kochkünsten war. Er hatte sich ungezwungen und angeregt über Oldtimer, die
Regierungspolitik im Mittleren Osten — wobei er nicht unbedingt glaubte, daß
sie wirklich existierte — und eine Fülle anderer Themen unterhalten.
    Miriam kannte sich genausogut
aus wie ihr Mann, war allerdings nicht immer einer Meinung mit ihm. Sie sah Max
sehr ähnlich und mußte einfach phantastisch aussehen, wenn sie sich
zurechtmachte. Heute abend trug sie einen einfachen Jeansrock und einen
Pullover, den sie eigentlich für Mike gestrickt hatte. Er war erst
fertiggeworden, als er Mike schon nicht mehr paßte, und sie wollte ihn nicht
einfach ungetragen im

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