Der Spiegel aus Bilbao
wie zuverlässig ist Ihr Urteil?
Das würde mich interessieren.« Jake nahm sich ein weiteres Hühnchensandwich.
»Ziemlich zuverlässig, würde
ich sagen. Immerhin leite ich eine Pension, und ich bin eine recht gute
Menschenkennerin. Pete habe ich in der letzten Zeit viel öfter gesehen, als mir
lieb war, während er hier oben seinem Onkel bei der Arbeit geholfen hat. Er ist
hinterlistig und faul und hat es faustdick hinter den Ohren, und ich frage
mich, ob er wirklich vor einer Gewalttat zurückschrecken würde. Er hätte vor
kurzem fast einen meiner Neffen zerstückelt, was Max bezeugen kann.«
Max nickte mit vollem Mund.
»Seit ich von dem Diebstahl bei
Miffy Tergoyne gehört habe«, fuhr Sarah fort, »habe ich gedacht, daß es
unbedingt zwei Personen gewesen sein müssen, eine drinnen im Haus, die wußte,
was sie zu stehlen hatte, und eine draußen, die alles in Empfang nahm und in
den Fluchtwagen schaffte.«
»Und weiter?«
»Pete kennt das Haus bestimmt
sehr gut. Vor Saisonbeginn, als die Sommergäste noch nicht da waren, hat er mit
seinem Onkel alle möglichen Arbeiten für Miffy übernommen. Miffy glaubte, daß
sie dann weniger bezahlen müßte.«
»Was aber nicht zutraf.«
»Natürlich nicht. Mr. Lomax
setzte einfach einen höheren Preis an und ließ sich auf die Summe
herunterhandeln, die er normalerweise verlangt hätte.«
»Jetzt weißt du auch, warum ein
Jude an einem Yankee nichts verdienen kann«, teilte Jake Bittersohn seinem
Neffen mit. »Also gut, beide Parteien sind zufrieden, keiner ist übers Ohr
gehauen worden, was hat das Ganze also mit Diebstahl zu tun?«
»Nichts, außer daß Pete, weil
er mit seinem Onkel zusammen war, zweifellos gesehen hat, wie Miffy und Alice
mit dem Buch herumgingen.«
»Mit welchem Buch?«
»Miffy hatte dieses
Inventarverzeichnis mit Fotografien und Beschreibungen ihrer Wertobjekte. Ich
selbst habe es nie gesehen, aber meine Tante Appie kennt es. Sie hat einmal ein
paar Tage bei Miffy gewohnt, als Alice B. am Blinddarm operiert wurde, und sie
sagte, daß Miffy jeden Morgen, den Gott erschaffen hat, durch das Haus lief und
mit einem Buch in der Hand überprüfte, ob alles in Ordnung war und nichts
fehlte. Ich habe auch schon Freunde darüber Witze machen hören, allerdings nie
in Gegenwart von Miffy.«
»Dann hätte im Grunde jeder,
der an das Inventarverzeichnis hätte kommen können, diesen Diebstahl ausführen
können, den die Polizei nur einem Kunst experten zutraut.«
»Jeder, der von dem Buch wußte
und clever genug war, es zu benutzen. Ganz bestimmt.«
»Warum will die Polizei diesen
Diebstahl dann unbedingt Max anhängen?«
»Ich glaube gar nicht, daß sie
das will. Ich nehme vielmehr an, daß die Leute vom Yachtclub sie unter Druck
setzen. Sie müssen sich auf Miffys Versicherung verlassen, daß sich das Buch
nachts unter ihrem Kopfkissen befand und daß es niemand hätte wegnehmen können,
ohne sie zu wecken, was völlig absurd ist. Sie hatte sich wieder einmal sinnlos
betrunken und hätte nicht einmal gemerkt, wenn man ihr das Bett unter ihrem
Körper weggenommen hätte.«
»Können Sie vor Gericht
beschwören, daß sie in der Tatnacht total betrunken war?«
»Nein, natürlich nicht. Das
kann wohl keiner, vermute ich, außer Alice B. , und die ist tot.«
»Besteht irgendeine
Möglichkeit, daß diese Alice B. und Ihr Freund Pete den Diebstahl gemeinsam
ausgeführt haben und er sie umgebracht hat, nachdem sie ihm die Wertgegenstände
übergeben hatte?«
»Mein Gott, daran habe ich
bislang ja überhaupt noch nicht gedacht.«
Sarah überlegte einen Moment
lang und schüttelte dann den Kopf. »Das wäre bestimmt zu machen gewesen, aber
warum sollte Alice B. Miffy bestehlen? Sie hat doch sowieso von Miffy bekommen,
was sie wollte, und sie hätte nach Miffys Tod alles geerbt.«
»Woher wissen Sie das?«
»Das wußte jeder. Vielmehr
haben wir alle angenommen -«
»Das genügt mir nicht. Wer ist
Miss Tergoynes Anwalt?«
»Mr. Pertwee, soweit ich weiß;
er lebt hier in der Stadt. Er hat sie jedenfalls mehrfach vor Gericht
vertreten. Sie war immer wegen irgend etwas hinter irgend jemandem her.«
»Also Pertwee? Den kenne ich.
Fähiger Mann. Wo ist Ihr Telefon?«
»In der Diele.«
»Entschuldigen Sie mich einen
Moment.«
Jacob Bittersohn stellte seine
leere Tasse ab und verließ das Zimmer. Sarah sah nach dem Feuer und trug das
Tablett in die Küche. Kurze Zeit später kam der Anwalt zurück. Er sah ziemlich
selbstzufrieden aus.
»Margaret
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