Der Spiegel der Königin
f leute warteten auf ihre bestellte Ware, Arbeiter standen bereit, die Güter auf die Mälarboote umzuladen. Die er s ten Listen wurden gezückt. Hampus zog Elin näher zu sich heran und bahnte mit seiner Schulter einen Weg durch die Menge.
»Das ist doch Monsieur Chanut!«, rief er. »Monsieur Chanut!«
Auf seinen Ruf hin drehte sich der französische Bo t schafter um. Elin freute sich, den liebenswürdigen Herrn zu sehen. Kristina lud den Diplomaten oft ins Schloss ein, und sogar Axel Oxenstierna schätzte ihn. Neben ihm stand Pater Villon, der Hauskaplan der französischen Botschaft, ein ruhiger Mann mit Pockennarben im G e sicht. Chanut lächelte und winkte Hampus zu sich heran.
»Ah, der junge Freund von Descartes!« Galant nahm er Elins Hand und deutete eine Verbeugung zu einem Handkuss an. »Und Mademoiselle Elin, welch ein Z u fall.«
»Suchen Sie jemanden?«, fragte Hampus.
Chanut blickte über seinen Kopf hinweg zur Reling und sein Gesicht hellte sich auf. »Und da habe ich ihn auch schon gefunden! Monsieur Tervué . Die Königin wird ihn noch heute empfangen.«
Die Passagiere verließen nun über Holzplanken das Schiff. Der Mann, der Chanut zugewunken hatte, war beleibt. Seine Wangen zitterten bei jedem Schritt. Elin war verwirrt. Warum hatte Kristina ihr nichts davon g e sagt, dass sie Besuch aus Frankreich erwartete ? Noch dazu von einem Katholiken! Ob er zu den Gelehrten g e hörte, die Kristina aus aller Welt zu sich lud, um die Wissenschaften im Schloss zu etablieren? Der Kaplan und Chanut begrüßten Tervué und auch Elin und Hampus wurden kurz vorgestellt. So freundlich das Lächeln des Gastes war, so kritisch war der Blick, mit dem er Elin musterte – ihr Haar, ihr Dekolletee und den Abstand zw i schen ihr und Hampus, der ihm offenbar als zu gering erschien. Seine Augen waren von einem kalten Grün.
»Ich freue mich darauf, noch heute die gelehrteste Frau Schwedens und vielleicht sogar Europas kennen zu lernen«, sagte er zu Chanut. »Man sagt, sie habe alles gelesen.«
»Und dennoch wird sie Sie überraschen«, erwiderte Chanut launig. »Nichts, was man sich über sie erzählt, wird ihr nur annähernd gerecht.«
Mit gemischten Gefühlen betrachtete Elin die Kutsche, in die die drei Männer einstiegen.
»Da drüben kommen die Postsäcke und die Unte r händler!«, rief Hampus. Gemeinsam kämpften sie sich den Weg zu den beiden Männern frei, die gerade an Land gingen, kaum beachtet von den Kaufleuten.
»Nachrichten für das Schloss?«, rief Elin dem älteren der beiden Händler zu. »Es muss ein Brief für Elin Ase n ban dabei sein!« Der Mann warf einen Blick auf die Ga r disten, die unweit von Elin Position bezogen hatten, dann öffnete er den Reisebeutel, den er über der Schulter trug. Papier knisterte, dann, nach einer Ewigkeit, zog er en d lich einen Packen an Briefen heraus und ging sie durch. Elin konnte sich nicht beherrschen und spähte über seine Schulter. Da waren ein Schreiben von Rene Descartes an die Königin, mehrere Briefe von anderen Stellen – und schließlich ein Schreiben, auf dem als Empfänger Elin Asenban vermerkt war! Beinahe hätte sie den Brief fallen lassen, aber es gelang ihr, ihn höflich entgegenzunehmen und in ihren Ärmel zu schieben. Dann drehte sie sich um und lief zurück zu Enhörning und zu Hampus ’ Pferd. Ihr Streitross zerrte ungeduldig am Zügel, den der Gardist hielt. Längst verwunderte es kaum jemanden am Hafen, Elin in ihren Männersattel steigen zu sehen. Hampus e r regte viel mehr Aufmerksamkeit, als sein Pferd vor e i nem Kalb scheute, das sich losgerissen hatte, und beinahe ein Heringsfass umwarf.
Wenig später passierten Elin und Hampus die Kutsche von Monsieur Chanut. Aus den Augenwinkeln sah Elin ein rundes Gesicht am Kutschenfenster und als sie sich noch einmal u mdrehte, erkannte sie Monsieur Tervué , der empört und fassungslos betrachtete, wie sie im Mä n nersitz an der Kutsche vorbeiritt.
In schnellem Trab ließen Elin und Hampus die Gassen hinter sich und ritten auf den Brunkeberg hinauf, bis sie fast nur noch grünes Land sahen. Als die ersten Win d mühlen und der Feuerturm in Sicht kamen, zügelte Elin Enhörning und sprang ab, bevor das Pferd zum Stehen kam. Der Brief in ihrer Hand fühlte sich heiß an. »Mach ihn auf«, sagte Hampus leise. Gemeinsam setzten sie sich ins Gras und blickten auf das Dokument. Schließlich nahm sich Elin ein Herz und brach das Siegel. Heute schienen die Worte vor ihr zu fliehen. Sie
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