Der Spiegel der Königin
Majestät«, sagte er und verbeugte sich tief. »Ich hörte, Sie haben den Dieb aufgespürt.« Noch während er sich wieder aufrichtete, fand sein Blick Elin.
»Sieh an, Elin von den Gudmundshöfen.«
»Noch ist überhaupt kein Diebstahl geschehen«, en t gegnete die Königin.
»Aber ich habe sie erwischt!« Rote Flecken leuchteten auf Olofs Wangen.
Die Königin hob die Hand. »Ich pflege mir immer alle Seiten anzuhören«, sagte sie. »Im Reichstag in Stoc k holm sprechen alle Stände, bevor ein Urteil gefällt wird. Zwei Leute glauben bereits, dass ein Diebstahl geschehen ist. Aber das Mädchen hat noch kein einziges Wort g e sagt. Also, Elin Ansgarsdotter, hast du das Medaillon gestohlen?«
Elin schüttelte den Kopf.
»Hast du deine Zunge verschluckt?«, fuhr Kester L e ven sie an.
»Nein«, brachte Elin kaum hörbar hervor.
»Die Herren hier wirst du schwerlich nur mit einem Wort überzeugen«, sagte die Königin. »Verteidigen musst du dich schon selbst, wenn es kein anderer für dich tut. Also, erzähle uns die ganze Geschichte.«
Ebba Sparre, die schräg hinter der Königin stand, nic k te und lächelte ihr aufmunternd zu. Vielleicht war es dieses Lächeln, das die Starre in Elins Kehle löste. Mit einem Mal war sie wütend auf all die Leute, die sie so unverhohlen anstarrten, als wären sie Jäger und Elin der Wolf, den sie in die Enge getrieben hatten. Sie hob den Kopf.
»Ich habe das Medaillon gesucht«, begann sie. »Frä u lein Sparre trug kein Nackentuch im Schloss, obwohl es so kalt ist. Aber heute Mittag, als sie mit dem französ i schen Gast im Park spazieren ging, hatte sie sich eines umgelegt. Deshalb habe ich Victor gefragt, ob er das Tuch nach dem Spaziergang in die Kleiderkammer g e bracht hat. Er sagte mir, dass Madame Joulain es ausbe s sert. Nun, dann bin ich eben zur ihr gegangen u nd habe ihr den Beinwärmer gebracht.« Ihre Hände zitterten, als sie in der Luft nachzeichnete, was sie ges e hen hatte. »Dort lag das Tuch in einem Korb – und darin war, wie ich vermutet hatte, das Medaillon.«
»Jemand hat das Medaillon also im Korb versteckt?«, fragte Leven streng.
»Nein … ich denke, es ist versehentlich dort hineing e raten. Der Verschluss hatte sich schon während des Sp a ziergangs in einer der Stickereien verhakt. Das passiert sehr leicht. Und wenn es kalt ist, verliert man zudem das Gefühl auf der Haut und merkt nicht, wenn die Kette sich öffnet. Der Hakenverschluss war nur ein wenig verb o gen, aber der Spalt war groß genug, um den Verschlus s ring hindurchgleiten zu lassen. Niemand hatte es b e merkt, auch Fräulein Ebba nicht, als sie das Tuch able g te.«
»Woher wusstest du, dass es Ebbas Tuch war?«
»Ein Student hat es mir beschrieben.«
»Und woher weiß jemand wie du so viel über Ketten und Verschlüsse?«, insistierte der Sekretär mit scharfer Stimme.
»Frau Gudmund ist einmal etwas Ähnliches passiert.«
»Der Haken war tatsächlich bereits ein wenig verb o gen«, sagte Ebba. »Ich wollte ihn längst wieder richten lassen.«
»Und warum hast du das Medaillon an dich geno m men?«, bohrte Kester Leven weiter.
»Um es Victor zu bringen. Er sollte sagen, dass er es gefunden hat. Dann …«
»Was dann ? «
Die Königin lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
»Dann … wäre Emilia nicht mehr verdächtigt wo r den.«
»Emilia?«
»Die finnische Küchenmagd«, erklärte Kester Leven. »Sie stammt ebenfalls aus Gamla Uppsala und kannte die Tante des Mädchens, als diese noch lebte. Kürzlich ist sie Witwe geworden. Wir haben ihr Geld aus der Armenka s se gegeben.«
Elin holte tief Luft.
»Die in der Küche verdächtigen sie, das Medaillon g e stohlen zu haben.«
»Und du dachtest, wenn du das Medaillon findest, kannst du diesen Vorwurf entkräften«, stellte die Königin fest.
Elin nickte.
»Ihr Mann ist vor ein paar Wochen auf einem deu t schen Schlachtfeld erschossen worden«, sagte sie. »Sie hat alles verloren, was sie hatte. Ihre zwei jüngsten Ki n der musste sie bei Nachbarn in Gamla Uppsala lassen. Emilia darf ihre Arbeit nicht verlieren, sonst …«
Sie verstummte und hob den Blick. Die Königin sah sie aufmerksam an. Im Raum war es so leise, dass Elin sich einbildete, die Schneeflocken zu hören, die gegen die Fenster geweht wurden.
»Ich verstehe«, sagte die Königin nach einer langen Pause. »Aber warum hast du denn nicht einem Lakaien erzählt, wo du das Medaillon vermutest, und ihn die S u che in die Wege leiten
Weitere Kostenlose Bücher