Der Spiegel der Königin
Donner. Ihre Augen sprühten vor Wut. Der Griff um Elins Arm lockerte sich, dafür spürte sie jetzt einen gr o ben Kniff in die Seite.
»Verbeuge dich vor der Königin«, raunte einer der Gardisten ihr zu. »Los, runter mit dir!«
Sie hatte Königin Kristina umgerannt? Mehr aus Schreck als aus Gehorsam klappte sie in einem tiefen Knicks zusammen. Sie war verloren. Dafür würde der Henker sie holen! Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Also?«, fuhr die Königin sie an. »Was zum Teufel treibst du hier?«
Elin brachte vor Schreck kein Wort heraus, dafür ve r beugte sich Olof mit einem Lächeln und trat vor.
»Erlauben Sie mir, es zu erklären, Ihre Majestät. Diese Magd hat das Medaillon. Unter dem Vorhang dort hinten hatte sie es versteckt. Vermutlich wollte sie es holen, b e vor ein Diener es findet.«
Ein Raunen und Flüstern schwoll um Elin herum an. Mit einem Mal schien sich das halbe Schloss auf dem Gang versammelt zu haben. Brokatgewänder raschelten, Degen klirrten. Goldschmuck und weiße Spitzenkragen leuchteten im flackernden Licht der Wandkerzen. Und mitten unter diesen Edelleuten stand wirklich und wah r haftig die Königin! Das hellbraune, lockige Haar hatte sie eher nachlässig hochgesteckt, kein einziges Schmuc k stück funkelte auf ihrer Haut. Sie war nicht einmal b e sonders hübsch. Dafür war ihre Nase zu lang und auße r dem ein wenig gebogen und ihr Gesicht nicht weich g e nug.
»Hast du Ebbas Medaillon?«, richtete die Königin das Wort an Elin.
Zögernd streckte Elin die Hand aus. Es tat weh, die verkrampften Finger zu öffnen.
»Meine Rose!« Nachtblauer Brokat leuchtete auf. Wenn Madame Joulain Elin hübsch wie der Mond e r schienen war, dann war Ebba Sparre die Sonne. Ihre A u gen, die sanft und ein wenig traurig waren, leuchteten vor Freude auf, als sie das Medaillon behutsam an sich nahm. Auf Elins Handfläche blieb ein schwacher Abdruck der goldenen Rose zurück.
»Wo hast du sie her?«, fragte die junge Hofdame.
»Ich habe sie gefunden.«
»Wo ? «
»Bei … Madame Joulain.«
Ein Lachen wurde laut, die Damen tuschelten. Ihre Majestät schien die Antwort allerdings nicht so lustig zu finden. Elin beobachtete sie wie ein zum Tode Verurtei l ter seinen Henker.
»Steht nicht herum«, sagte Königin Kristina. »Bringt sie in die Kanzlei!«
Der Gardist packte Elin wieder am Arm und zerrte sie den Gang entlang. Die Türen und Vorhänge flogen an Elin vorbei, ohne dass sie sie richtig wahrnahm. Über eine Treppe ging es hinauf, in einen viel prächtigeren Teil des Schlosses. Reich bestickte Wandteppiche zei g ten Jagdszenen und sonnige Landschaften. Diener öffn e ten die Türen zu einem Raum, der so riesig war, dass Elin im ersten Augenblick vor Staunen ihre Angst fast vergaß. Bis zu den Decken erstreckten sich Regale mit Büchern, es roch nach Leder und Holz. Unter Elins F ü ßen knarrte Parkett, das sich durch die Kälte des Winters verzogen hatte. In der Mitte des Raumes befanden sich ein wuchtiger Schreibtisch und eine Reihe von Stühlen. Ein kleinerer Tisch, gerade groß genug für einen Schre i ber, stand am Fenster. Mit wenigen Schritten war Kön i gin Kristina hinter dem Schreib t isch und nahm Platz. Sie läuft nicht wie eine Königin, dachte Elin. Zwei Diener beeilten sich, den Lüster über eine Seilwinde von der Decke herunterzulassen und die Kerzen darauf zu en t zünden. Leise schlugen die Kristalle gegeneinander und klingelten wie Glöckchen an einem Winterschlitten.
»Also«, sagte die Königin. »Ich höre. Wer bist du und was hast du mit dem Medaillon zu tun?« Hinter dem ri e sigen Tisch sah Königin Kristina eher wie ein unwilliges Mädchen aus. Sie wirkte viel jünger als die dreiun d zwanzig Jahre, die sie zählte. Elin versuchte etwas zu sagen, aber die Worte blieben in ihrem Mund kleben wie mehliger Brei. Die Höflinge sahen sie erwartungsvoll an, aus ihren Blicken sprach Neugier, aber auch Verachtung und Mitleid. Hier, vor dieser Mauer aus schweigenden Gesichtern, spürte Elin ihre Armut wie einen nassen Mantel an sich kleben.
»Sie heißt Elin Ansgarsdotter Asenban und ist seit e i nigen Wochen Scheuermagd«, meldete sich Olof mit e i nem kriecherischen Lächeln zu Wort. »Heute ist sie aus der Küche weggelaufen und …«
Die Tür schwang auf und alle Blicke wandten sich dem Eintretenden zu. Elin biss sich auf die Lippe. Kester Leven, der Sekretär des Bischofs! Heute war die Zorne s falte, die seine Stirn furchte, noch tiefer als sonst.
»Ihre
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