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Der Spiegel im Spiegel

Der Spiegel im Spiegel

Titel: Der Spiegel im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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blähten, ineinander schlangen und wieder von einander lösten.
    Zuletzt erst sah er die Farben: Türme aus Opal, die sich immer neu aufbauten und wieder verloren. Liegende Wände aus durchsichtigem Perlmutt, glühend und transparent wie fließendes Glas. Und das Weiß, das Weiß, das er anfangs für Blitze in der Gewitterwand gehalten hatte!
    Da plötzlich begriff der Mann mit den Fischaugen, was es war, worauf er zufuhr - begriff es so sehr, daß ihm das Herz stillstand:
    Das Meer.

DER BORDELLPALAST AUF DEM BERGE ERSTRAHLTE IN DIESER NACHT
     
    in kaltem Glanz. Abertausende von Lichtschlangen zuckten, und laufende Girlanden aus Lämpchen erleuchteten ihn wie ein Hypodrom und warfen ihren Schein hinunter bis in die düsteren Gassen und armseligen Hinterhöfe der Hurenstadt, die sonst im Dunkel lagen, denn dort unten gab es kein eigenes Licht. In den schmutzigen Winkeln, in Toreinfahrten, Haustüren und Fensterhöhlen drängten sich unzählige Gesichter, geisterhaft im Widerschein, winzige und riesige, aufgedunsene oder hohlwangige Gesichter, die alle hinauf starrten zu den morchelförmigen Türmen, den Doppelkuppeln, den bauchigen Mauern des Riesenbaus.
    Nur wenige bemerkten das weiße, langmähnige Pferd, das auf prunkvolle Art aufgezäumt und gesattelt durch die Straßen zum Palast hinauftrottete. Es bewegte sich langsam und müde, als seien seine Hufe aus Blei. Sein Kopf hing schwer herab. Im Sattel saß vornübergebeugt ein einbeiniger Bettler in zerfetzter Kleidung, der auf dem Kopf eine Papierkrone trug. Sein Gesicht war von Gram verwittert.
    «Unsere Königin wird Hochzeit feiern», flüsterten manche, «und das ist ihr Bräutigam.»
    «Aber sie hat doch schon einen Mann», widersprachen andere.
    «Das braucht sie nicht zu kümmern», meinten einige, «schließlich ist sie die Hurenkönigin.» Und ein paar wagten sogar zu fragen: «Wer hat je ihren Mann gesehen? Vielleicht gibt es ihn gar nicht.»
    Aber sie wurden schnell zum Schweigen gebracht. Es war nicht gut, solche Reden zu führen, denn die Königin erfuhr alles und ließ nicht mit sich spaßen.
    Als der Reiter vor dem nickelglänzenden Portal des Palastes ankam, das die Form einer großen Vulva hatte, blieb das weiße Pferd von selbst stehen. Niemand kam dem Besucher zur Begrüßung entgegen, kein Laut war zu hören, das hell erleuchtete Gebäude schien wie ausgestorben. Der Bettler ließ sich aus dem Sattel gleiten, nahm zwei rohe Holzkrücken, die über dem Knauf hingen und humpelte damit die Stufen hinauf.
    Im Inneren des Gebäudes bestand alles aus einem graphitschwarzen, metallisch glänzenden Material, doch konnten die Formen ebensogut technischen wie organischen Ursprungs sein. Es gab Wände und Decken, die gerippt waren wie ein Gaumen, und im Boden verliefen knotige Adernstränge. Da waren riesige Kolben, die in Röhren oder Öffnungen langsam hin- und zurückglitten, oder kleine, die dieselbe Bewegung rasend schnell vollführten. Dazu war ein Schnaufen und dumpfes Stöhnen zu hören, manchmal auch schrilles Kreischen und Quietschen. An dicken, ölglänzenden Stangen fuhren ringförmige Manschetten auf und nieder, die von gelenkreichen Greifarmen bewegt wurden, oder pumpenartige Gebilde stießen mächtige Pfähle in tiefe Brunnenschächte hinunter. Die Luft war schwer vom Geruch nach heißem Metall.
    In anderen Räumen gab es bauchige Düsen, die in gewissen Abständen zähe Flüssigkeiten in Rinnen oder ovale Maueröffnungen spritzten, die sich danach zuckend schlössen. Besondere Schwierigkeiten bereitete dem Mann mit den Krücken ein langer, röhrenförmiger Gang, dessen Wände und Boden glitschig waren und sich in ständiger peri-staltischer Bewegung befanden. Schließlich hatte er sich in einen Wald aus knorrigen Säulen verirrt, die immerfort anschwollen, sich aufrichteten und wieder zusammenschrumpften. Er wußte nicht mehr, wohin er sich wenden mußte.
    Plötzlich stand eine gebückte, graue Gestalt vor ihm, ein alter Mann, der ihn prüfend aus schmalen Augen anblickte und mit heiserer Stimme fragte: «Bist du der, der gerufen wurde?» Der Bettler nickte.
    «Komm!» sagte der Alte und ging voraus. Nach längerer Wanderung kamen sie in einen riesenhaften, leeren und dunklen Rundsaal, in dessen Mitte, grell von Scheinwerfern angestrahlt, sich ein etwa brusthohes Podium von der Art eines Boxrings befand, das ebenfalls rund war. Im Zentrum stand ein nickelglänzender Operationssessel und auf ihm lag die Hurenkönigin.
    Niemand hatte je ihr

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