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Der Spiegel im Spiegel

Der Spiegel im Spiegel

Titel: Der Spiegel im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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geschworen!»
    «Dir kann niemand helfen, Königin. Nicht einmal du selbst.»
    Plötzlich ließ sie sich zu Boden gleiten, umklammerte sein Bein und bedeckte seinen Fuß und sogar die Krücken mit den Küssen ihres stählernen Mundes. Dabei schluchzte sie:
    «Du könntest es! Du, du allein kannst mir helfen. Gib mir irgend etwas von diesen Almosen! Teile sie mit mir! Sei barmherzig! Ich friere so. Ich bin so allein.»
    Er blickte auf sie hinab, wollte die Elfenbeinhaut ihres kahlen Kopfes berühren, zog aber die Hand wieder zurück.
    «Sei nicht grausam! Du hast mich einst geliebt» - sie schrie es fast - «ich bitte dich auf meinen Knien. Siehst du, ich habe noch niemals einen Menschen angefleht, aber nun flehe ich: Gib mir das kleinste, das wertloseste all der Geschenke, die du bekommen hast. Laß mich ein einziges Mal teilhaben an etwas, das umsonst gegeben wurde!» Eine Weile war nur ihr krampfhaftes Schluchzen zu hören, dann sagte er ruhig:
    «Du hast zu viel genommen, Königin, als daß du jetzt noch empfangen könntest. Aber du kannst mir nichts mehr nehmen, und ich kann dir nichts mehr geben, denn ich habe alles verschenkt.»
    Sie sprang auf und trat zurück. «Wem?»
    Der Bettler lächelte, und sein verwittertes Gesicht sah beinahe jung aus. «Den Armen. Wem sonst?» Sie wandte sich langsam ab und setzte sich auf den Boden, den Rücken gegen das Podest. Er beobachtete sie. Sie kroch in sich zusammen, als ob sie fröre, und schaukelte eine Weile ihren Oberkörper vor und zurück.
    «Die Armen», sagte sie bitter, «immer diese Lückenbüßer der Nächstenliebe! Kannst du mir erklären, womit sie dieses göttliche Privileg verdient haben? Warum sie im Himmel und auf Erden derartig bevorzugt werden? Wie leicht das für euch ist, für dich, für Gott, für alle euresgleichen! Als ob es kein größeres Elend gäbe als die Armut! Was werden sie sich davon kaufen, deine Armen? Sie werden sich für ein paar Tage die Bäuche vollschlagen oder sich in der nächsten Kneipe besaufen und, was ihnen übrigbleibt, mit meinen Huren verplempern. Und dann wird es sein, als hätten sie nie etwas bekommen. Weißt du nicht, daß Armut unheilbar ist?»
    «Ja», antwortete er, «wie ein fehlendes Bein.»
    Da sie nichts erwiderte, fragte er:
    «Was hättest du damit getan?»
    «Ah, ich!» sagte sie, und ihre Stimme klang zornig, «ich bin ja nur eine Königin! Weißt du, was ich getan hätte? Ich hätte dein Almosen an meinem Leib getragen, ich hätte mich daran gewärmt, es hätte in meiner Dunkelheit geleuchtet.»
    «Arme Königin!» sagte er.
    Sie schaute nach ihm hin, aber sein Gesicht war so undurchdringlich wie ihre stählerne Maske. Sie stand auf.
    «Die Kälte ist nicht in mir», rief sie in den dunklen Saal hinein, «ich bin ein Stern aus feuerflüssiger Lava. Aber der Weltraum um mich ist leer und kalt. Und in meiner Umarmung wird alles zu Asche.»
    Das Echo warf ihre Worte zurück und wiederholte sie ferner und ferner. Der Bettler wartete, bis es still war, dann sagte er leise:
    «Zwei Dinge habe ich behalten. Du kannst eines davon wählen.»
    Sie näherte sich zögernd. Von neuem hüllte ihn der Geruch von heißem Metall ein. «Zeig her!» flüsterte sie. «Hier, meine hölzerne Bettelschale» - er holte sie aus seiner zerlumpten Jacke hervor - «ich hatte sie vor langer Zeit verloren. Jetzt hat man sie mir zurückgebracht.»
    Er hielt sie ihr mit ausgestrecktem Arm hin. Die Schale war vom Gebrauch abgenützt. Kaum noch leserliche Worte waren auf ihrem Rand eingebrannt. Die Königin entzifferte: Geduld und Demut. Sie schüttelte den Kopf.
    «Nicht für mich. Sie gehört dir. Das andere?» Der Bettler steckte die Schale sorgfältig wieder weg und zog aus dem Halsausschnitt seines Hemdes ein Kettchen hervor, an dem ein goldenes Medaillon hing. Es hatte die Gestalt einer kleinen Monstranz, in deren Mitte sich eine unregelmäßig geformte Glasperle befand. Ein Tropfen einer dunklen Flüssigkeit zitterte in ihrem Inneren.
    «Ich weiß nicht, was es ist», sagte der Bettler, «aber vielleicht spendet es Segen.»
    Mit einer jähen Bewegung riß sie ihm das Kettchen vom Hals, dann stand sie lange reglos und starrte die Perle an.
    «Endlich kommt die Antwort», flüsterte sie. Dann begann sie zu kichern, immer heftiger und heftiger, bis sie sich schließlich wie eine Besessene schüttelte und gellend lachte und schrie. Unvermittelt brach ihr Gelächter ab, sie kletterte auf das Podest.
    Der Bettler sah zu ihr hinauf.
    «Warum

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