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Der Spiegel im Spiegel

Der Spiegel im Spiegel

Titel: Der Spiegel im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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lacht die Königin?»
    «Ich lache über einen Witz Gottes! Er ist ein großartiger Witzbold, wußtest du das? Diese Perle hat mir einst der Teufel geschenkt, als ich noch an ihn glaubte. Ich war damals ein Kind. Ich habe versucht, sie loszuwerden vor langer Zeit. Ich habe sie in einen kochenden Vulkan geworfen. Jetzt kehrt sie zu mir zurück - wie zu dir deine Bettelschale.»
    «Und was ist es?»
    Sie setzte sich auf ihren Maschinenthron und räkelte sich lüstern.
    «Kein Segen, mein armer Freund. Jedenfalls nicht so, wie du es meinst. In dieser kleinen gläsernen Hülle steckt etwas, das nicht in diese Welt gehört und deshalb diese Welt vernichten kann. Dies winzige Tröpfchen genügt, um alles Leben auf Erden erlöschen zu lassen. So zerbrechlich ist die Schöpfung, daß es genügt, diese Perle zu zerbrechen.»
    Sie ließ das Medaillon am Kettchen vor sich baumeln und betrachtete es mit brennenden Augen.
    «Es nimmt die Fruchtbarkeit von der Erde. Kein Schoß wird mehr gebären, und jeder Same wird sterben. Und wenn alles unfruchtbar geworden ist, dann wird auch das Menschengeschlecht verschwinden. Vielleicht wird es einen letzten Menschen geben, vielleicht wird er sehr alt werden, vielleicht wird er sogar der sein, der endlich das Geheimnis der irdischen Unsterblichkeit entdeckt hat. Er wird allein sein und nach dem Tod rufen, der nicht mehr kommt. Und er wird das letzte Kapitel im Buch der Menschheit schreiben, und das wird so lauten: Am Ende vernichtete der Mensch Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe. Und der letzte Mensch schrie: Es werde Licht! Aber es blieb dunkel. So ward aus einem Abend ohne Morgen die letzte Nacht.»
    Sie ließ das Medaillon am Kettchen um ihren Finger wirbeln. Eine Weile war es still, dann sagte sie:
    «Jedenfalls danke ich dir für dein Geschenk.»
    Der Bettler fiel zu Boden und blieb wie tot liegen. Sie betrachtete ihn. Das grelle Scheinwerferlicht funkelte auf ihrer stählernen Maske.
    «Wirst du es tun?» fragte er, und die Zähne schlugen ihm aufeinander.
    «Da ich es habe», antwortete sie, «werde ich es tun.» «Wann?»
    «Wenn der Augenblick gekommen ist.» «Kann dich etwas davon abhalten?» Sie hörte auf mit dem Kettchen zu spielen und überlegte eine Weile. «Liebst du mich?» fragte sie dann. «Das kann ich nicht, dich kann niemand lieben.» Sie streichelte mit der Hand zärtlich über ihren Elfenbeinkörper. «Und Gott?» «Auch Gott nicht. Sonst wärst du nicht, was du bist.» Die Königin ließ ein kleines spöttisches Lachen hören.
    «Ist er denn auch ein so schlechter Liebhaber, daß er so rasch aufgibt?»
    Der Bettler riß sich die Papierkrone vom Kopf und zerknüllte sie.
    «Du lästerst Gott!»
    «Könnte es nicht sein», antwortete sie, «daß Gott mich lästert?»
    Der Bettler versuchte mühsam, sich wieder aufzurichten. Mehrmals glitten seine Krücken aus, und er stürzte wieder zu Boden. Als er endlich aufrecht stand, sagte er: «Wolle mich nun entlassen, Königin.» ·«Noch nicht», antwortete sie sanft. «Ich möchte noch etwas von dir wissen. Du als einziger hast mir standgehalten, auch jetzt. Du bist nicht verschwunden, du bist Wirklichkeit geblieben. Du hast dich nicht umgebracht. Wie konntest du das?»
    Er wußte nichts zu erwidern. Schließlich sagte er:
    «Gott hat mir geholfen.» «Ja, ja», sagte sie ein wenig ungeduldig, «ich weiß, daß du fromm bist. Ich weiß, daß du leidest. Und ich weiß, daß ich unfähig bin zu leiden. Das meinst du doch, nicht wahr? Darum möchte ich dir jetzt mein Geheimnis anvertrauen - dir ganz allein. Du sollst es von nun an mit dir herumschleppen. Und ich bin es auf diese Weise los. Du zitterst?»
    «Du bist entsetzlich, Königin!»
    «Nicht entsetzlicher als dein Gott», antwortete sie. «Aber ich werde euch jetzt beide entlassen, ihn und dich, der du dich so beharrlich mit ihm verwechselst. Ich werde diese Stadt und dieses Reich aus meinem Bett entlassen, in dem sie verkohlt sind. Ich wende mich einem besseren Beischläfer zu, einem erfahreneren, einem, der meiner Herausforderung gewachsen ist. Ich werde das Nichts umarmen und in meinen Schoß ziehen, und es wird mich nicht enttäuschen, da es unendlich ist. Ihr dürft mich vergessen, weil ich euch vergesse.
    Hör zu, ich träumte letzte Nacht von ihm. Ja, ich träumte, daß Gott und der Teufel miteinander um mich kämpften. Es war ein sehenswertes Schauspiel, glaub mir. Sie kämpften die ganze Nacht, und ich sah von

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