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Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
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wandte das Gesicht ab, damit er ihre Tränen
nicht sah. Sie fühlte sich seltsam leer. Um jemanden hassen zu können, müsste man ihn zuvor geliebt haben. – Aber jemanden, den man liebt, lässt man nicht einfach zum Sterben im Schnee zurück … jemanden, den man liebt … Sie hielt die Lider geschlossen, spürte, wie der Schnee heiß auf ihrem Gesicht schmolz und langsam über ihre Haut rann. Er hinterließ nichts als Kälte und weckte einen dumpfen Schmerz in ihrer Brust.
    Die Hand des Eisprinzen an ihrem Kinn ließ sie die Augen öffnen. Sie begegnete seinem frostbrennenden Blick – und suchte in den blauen Abgründen nach einer Spur von dem Mann, den sie gekannt hatte. Er war nicht da. Wie auch: Es hatte ihn nie gegeben. Er war nur eine Lüge gewesen.
    Der Eisprinz gab ihr Kinn frei, packte stattdessen erneut ihr Handgelenk und wollte sie mitziehen.
    Cassim rührte sich nicht. »Ich habe eine Bitte.«
    »Spar dir den Atem: Die Antwort ist ›Nein‹!«
    »Selbst die Menschen gewähren einem zum Tode Verurteilten eine letzte Gunst.« Erfolglos versuchte sie, ihr Handgelenk freizuwinden.
    »Ach? Tatsächlich? « Eine Braue höhnisch gehoben, drehte er sich um. »Und worum willst du bitten?«
    »Ich möchte, dass du es tust.«
    »Dass ich was tue?« Er klang beinah belustigt.
    »Ich möchte, dass du mich tötest. Auch wenn du mich zu deiner Mutter zurückbringst. – Ich möchte, dass du es tust.«
    Für kaum mehr als einen Wimpernschlag weitete sich sein Blick. Dann zuckte er scheinbar gleichgültig die Schultern. »Wie du willst. Sterben wirst du – so oder so. Und jetzt komm!«
    »Was ist mit Jornas? Willst du ihn einfach zurücklassen? «
    Mit schmalen Augen musterte er sie, dann war da wieder dieses entsetzliche Lächeln. »Du hast recht. Wenn ich das tun würde, wäre ich ja genauso herzlos wie er – oder du. – - Warte! Sagt man mir nicht nach, ich hätte ein Stück ewigen Eises anstelle eines Herzens in der Brust?« Jedes Wort troff vor
Hohn. »Mach dir um den Faun keine Sorgen. Lyjadis wünscht, einen kleinen Schwatz mit ihm zu halten. Er wird zu ihr gebracht werden.«
    Wie um einer Frage zuvorzukommen, hob er die Hand. Ein paar mächtige Schatten lösten sich aus dem Weiß des Schnees. Firnwölfe! Cassim starrte die riesigen Bestien an, deren gelbe Augen ihren Blick erwiderten, und machte einen Schritt zurück. Quer über die Schnauze des größten der Monster lief eine Narbe. Es kam langsam näher, strich am Bein des Eisprinzen entlang, unter der locker herabhängenden Hand seines Herrn hindurch. Die Finger krallten sich in das Nackenfell, nur um das Tier sofort wieder freizugeben.
    »Hattest du Angst, Jornas könnte dich wieder mit einem Bann belegen, wenn du alleine kommst?« Sie wusste, es war Wahnsinn, das Ungeheuer zu reizen, das sie in den Tiefen der Gletscheraugen gesehen hatte, aber der Schmerz in ihrem Inneren schrie danach, herausgelassen zu werden.
    Für einen Moment war es still. Dann brach der Eisprinz in schallendes Gelächter aus. Die Firnwölfe duckten sich.
    »Jornas’ Bann!« Er schüttelte grinsend den Kopf. »Er hat nie gewirkt. Und der Stümper war viel zu sehr von sich überzeugt, um es zu merken.« Sein Mund verzog sich höhnisch. »Aber es war äußerst amüsant, wie du dich für den armen Streuner eingesetzt hast; wie du ihn gegen den bösen Zauberer beschützen wolltest. – Und wie dein schlechtes Gewissen dich gequält hat; all die schuldbewussten, verstohlenen Blicke, mit denen du mich angesehen hast: köstlich! Ich konnte mir manchmal kaum das Lachen verbeißen.« Der große Wolf drückte sich fester gegen sein Bein. Die gelben Augen glitten seltsam traurig über Cassim, ehe er seinem Herrn die Hand leckte. Die Brauen ärgerlich zusammengezogen, schaute der Eisprinz auf ihn hinab. Einen Herzschlag lang fürchtete sie, er würde das Tier schlagen, doch dann machte er jäh einen Schritt zur Seite und entzog sich dem Firnwolf. Der musterte ihn weiter, still und auf eine seltsame
Weise zugleich beredt. Es war der Eisprinz, der dem Blick der Bestie schließlich auswich.
    »Du kennst eure Befehle! Gehorche!«, knurrte er das weiße Monster an. Die Antwort war ein kurzes Kräuseln der Lefzen, dann drehte das Tier sich um und trottete zu Jornas hin, der noch immer wimmernd im Schnee kauerte. Die anderen folgten ihm.
    Der Griff an Cassims Handgelenk verstärkte sich, und sie wurde so abrupt vorwärtsgerissen, dass sie gegen die Brust des Eisprinzen prallte.
    »Und jetzt zu uns

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