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Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
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unten. Ganz so als wollten sie keinen Augenblick, der ihnen in seiner Nähe noch gegönnt war, ungenutzt verstreichen lassen. Die anderen schlichen gleich verlorenen Geistern durch die Gänge des Avaën.
    Es war Prinz Gaethanen, der mit einer Verbeugung den Blick aus ihrem löste und nach einem fast verzweifelten Zögern an ihr vorbei zur Treppe ging. Seine Schritte klangen schwer auf den Stufen. Einer nach dem anderen folgten ihm die Firnwölfe, bis Cassim allein war. Ein bebender Atemzug, dann trat sie durch den glitzernden Bogen in die Dunkelheit. Sie zögerte, wollte sich umwenden, davonlaufen. Ein Katafalk aus Eis erhob sich vor ihr aus dem Dämmerlicht. Die Hände ineinandergekrallt, überwand sie den letzten Schritt, trat endgültig an die kalte Bahre. Die fahlen blauen Flammen, die entlang der glitzernden Wände brannten, warfen Schatten auf seine stillen Züge. Beinah hätte man glauben können, er läge nur in einem tiefen Schlaf. Cassim grub die Zähne in die Lippe. Aus diesem Schlaf würde es kein Erwachen geben. Ihre Hand berührte die eisige Stirn, strich durch sein Haar. Ein Schluchzen kroch ihre Kehle empor. Hastig wandte sie den Blick ab, presste die Lider zusammen, um das Brennen dahinter zurückzuhalten. In einer beinah zornigen Bewegung fuhr sie sich mit dem Handrücken über die Augen, ehe sie wieder auf ihn hinabblickte. Man hatte ihn auf kostbare Felle gebettet. Seine Hände ruhten reglos an seinen Seiten. Wie immer war er in schimmerndes Weiß gekleidet. Ihre Finger stahlen sich zu seinen, verwoben sich mit
ihnen. Das Schluchzen ließ sich nicht mehr in ihre Kehle zurückzwingen. »Ich hasse dich!« Ihre Stimme brach. Sie klammerte sich fester an seine Hand. »Hörst du mich? – Ich hasse dich!« Nur Schweigen antwortete ihr. Für lange Zeit gab es nichts anderes.
    Als die Tränen auf ihren Wangen gefroren, wurde ihr bewusst, dass sie nicht mehr allein war. Zögernd wandte sie sich um, ihre Finger noch immer mit Morgwens verschränkt. Die Eiskönigin stand im Türbogen, sah sie unverwandt an.
    »Was hast du hier zu suchen, Mensch?« Cassim zuckte unter der Feindseligkeit in ihrer Stimme zusammen.
    »Ich … Ich wollte …« Das Schluchzen in ihrer Kehle machte die Worte rau. Sie schluckte es hinunter, während sie zögernd ihre Hand von der Bahre zurückzog.
    »Du hast nichts zu wollen! Hinaus!« Kälte zischte durch den Raum. Erschrocken wich Cassim zurück, prallte mit der Hüfte gegen den Katafalk.
    »Aber … Was … was hab ich getan, dass Ihr …?«
    »Was du getan hast, Mensch?« Mit zwei Schritten war Königin Lyjadis bei ihr. Hass und Bitterkeit brannten in ihren Augen. »Ich will es dir zeigen!« Sie packte Cassim am Handgelenk und zerrte sie aus dem Raum. Ihr Griff war ein Dolch aus Eis, der sich gnadenlos in Cassims Fleisch grub und ihr ein gequältes Keuchen entlockte. Ihr Versuch, sich loszumachen, schlug fehl. In entsetzlichem Schweigen wurde sie durch Korridore und über Treppen geschleppt, immer tiefer in den Berg hinein.
    Zuweilen begegneten ihnen Schatten aus Frost und Schnee oder Wesen, die nur aus Glut zu bestehen schienen. Kreaturen, weit seltsamer, schöner und erschreckender als Centauren und Eisdryaden, die sich ehrerbietig vor ihnen verneigten, ohne ihr Erstaunen verbergen zu können. War der Avaën verlassen gewesen, als Morgwen sie vor zwei Tagen hergebracht hatte, so hatte er sich inzwischen wieder in das verwandelt, was er vor
langer Zeit war: ein gigantischer, prächtiger Palast mit Gipfelzinnen aus ewigem Eis, unter dessen Mauern sich ein Strom aus Feuer wälzte. Ein Ort uralter Macht, an dem Feuer und Eis herrschten.
    Vor einem mächtigen Portal blieb die Eiskönigin schließlich stehen, ohne Cassim loszulassen. Verschlungene Symbole aus Frost und Feuer schmückten die beiden herrlichen Flügel. Ein Wort und eine Geste, dann schwangen sie lautlos auf. Sie wurde hindurchgestoßen. Kaum hatte sie die Schwelle überschritten, hörte sie es: ein Wispern und Raunen, das aus unzähligen Kehlen zu stammen schien. Da waren Freude und Lachen, Verzweiflung und Tränen – und doch waren sie allein in dem Gewölbe, das weder Decke noch Ende zu haben schien. In ungezählten Nischen glommen Myriaden von Kristallen. Manche nur schwach und fahl, andere hell und strahlend.
    »Ja, schau dich um, Mensch.« Die Finger der Eiskönigin gruben sich in ihre Schulter. Eis senkte sich in ihre Haut, ihre Knochen. »Sie alle sind das Leben eines sterblichen Wesens.« Unter der kalten

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