Der Spiegel von Feuer und Eis
Spiegelsplitter zusammengesetzt werden müssen?«
Ehrfürchtig ergriff Jornas ihre Hand und hob sie an seine Lippen. »Deshalb wurde ich geschickt. Ich werde Euch dabei helfen. – Danke.« Seine Stimme klang erstickt, und er musste sich mehrmals heftig räuspern, ehe er wieder sprechen konnte. »Aber da ist noch etwas, Menschenmädchen … Cassim. – Dieser Morgwen … Ihr dürft ihm nicht trauen.«
»Und warum darf sie das nicht?« Polternd landete ein großer Arm Holz im Schnee. Morgwen blickte kalt auf sie hinab. Sie hatten ihn nicht herankommen hören.
»Wer sagt ihr, dass du kein Spion der Eiskönigin bist?« Angriffslustig reckte Jornas seinen Spitzbart vor und stand auf.
»Und wer sagt ihr, dass du nicht selbst in Lyjadis’ Diensten stehst? Es gibt genug von deiner Sorte im Palast.« Ungerührt musterte Morgwen den Faun.
»Woher wisst Ihr das?« Cassims Frage schien ihn nicht zu überraschen.
»Weil ich sie gesehen habe. – Und ehe du fragst: Ja, ich war schon mal im Palast.« Beinah angewidert schüttelte er den Kopf. »Ich lebe hier. Diese Wälder sind mein Zuhause. Ich jage in ihnen. Aber es gibt hier weit und breit keinen Händler, bei dem man Korn für Mehl oder wenigstens Zerna-Früchte kaufen könnte. Also muss ich es mir anderswo besorgen.«
»Ihr habt die Eiskönigin bestohlen?« Schock sprach aus Cassims Ton. Und widerwilliger Respekt. »Was, wenn man Euch erwischt hätte?«
»Hat man aber nicht. Und eigentlich habe ich die Köchin bestohlen und nicht Lyjadis selbst.«
»Das bedeutet noch lange nicht, dass man dir trauen kann.« In Jornas’ hellbraunen Augen blitzte es ärgerlich. »Schaut ihn Euch an, Menschenmädchen. Er ist so groß wie eine Eisdryade, er hat ihre Haut …«
»Und wann hast du schon einmal eine Eisdryade mit schwarzem Haar gesehen, Faun?« Morgwens Schnauben unterbrach ihn.
»Was ist eine Eisdryade?« Verwirrt blickte Cassim von einem zum anderen.
»Sie bilden Lyjadis’ Hofstaat, zusammen mit den Centauren, den Sphinxen und dem anderen Gezücht.« Morgwen hockte sich nieder und begann, Holz in die vorbereitete Kuhle zu schichten. »Betörend schöne, stattliche Männer und Frauen mit heller Haut und hellen, seltsam glitzernden Augen. Sie leben zu Dutzenden im Palast.« Er bedachte Jornas mit einem frostigen Blick. »Und sie haben alle weiße Haare.«
»Vielleicht war ja einer aus dem Südlichen Volk bei deiner Entstehung beteiligt.« Zu Cassims Unverständnis hörten sich Jornas’ Worte wie eine Beleidigung an – und Morgwen schien sie genauso zu verstehen, denn er zischte etwas, stand abrupt auf und wandte sich zum Gehen.
»Nein! Warte!« Er hatte beinah den umgestürzten Baum erreicht, als ihr Ruf ihn zurückhielt. Cassim wartete, bis er sich umgedreht hatte. »Warum hast du uns geholfen?« Die vertrauliche Anrede ging ihr erschreckend mühelos von den Lippen.
Eine scharfe Falte erschien zwischen seinen Brauen. »Das hast du schon einmal gefragt! – Ich war da, also habe ich getan, was ich für richtig hielt. Dass ich hier lebe, bedeutet nicht, dass ich der Eiskönigin diene. Ganz gleich, was der da«, er nickte
in Jornas’ Richtung, »behauptet. – Allerdings fange ich langsam an, es zu bereuen.«
»Wie … wie meinst du das?«
»Oh, keine Angst, Flammenkatze. Ich werde euch nicht verraten.« Sein Mund verzog sich bitter. »Aber was denkst du, werden die Firnwölfe mit mir machen, wenn sie mich erwischen – nachdem dein Geruch an mir hängt?« Er wandte sich ab und stapfte zwischen den Bäumen davon.
Cassim schluckte. Sie werden ihn töten. »Bleib!«
Ihre zaghafte Bitte ließ ihn erneut innehalten. Er wirkte ebenso überrascht wie Jornas.
»Vielleicht … vielleicht kannst du uns ja weiter helfen?«
»Nein!« Der Faun schüttelte entschieden den Kopf.
»Warum nicht? Er kennt sich hier aus! – Wahrscheinlich genauso gut wie die Firnwölfe. Vielleicht sogar besser. Er kann uns helfen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Er … er könnte uns führen.« Und solange sie uns nicht finden, wäre er auch in Sicherheit.
Jornas schnappte bei diesem Vorschlag nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Vielleicht will er uns ja gar nicht begleiten«, wandte er dann ein.
»Begleiten? Wohin?«
»Sagt es ihm nicht, Menschenmädchen! Ihr wisst nichts von ihm.«
»Er hat sein Leben riskiert, um uns zu helfen.«
»Das kann auch eine List sein.«
»Wohin begleiten?«
»Wenn er hier ganz allein lebt, ist er ein Ausgestoßener. Vielleicht gehört er ja zu
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