Der Spiegel von Feuer und Eis
Zauberer sein. – Allerdings bezweifle ich stark, dass er diesem Morgwen irgendetwas entgegenzusetzen hätte, sollte er ihm nicht länger nützlich sein.«
»Cassim sagt, er stünde im Dienst des Lords des Feuers.«
»Ein Faun? Im Dienst des Lords des Feuers?« Kaylen hob in einer Mischung aus Unglauben und Sarkasmus die Brauen. »Neben den Centauren und Sphinxen sind es die Faune, die der Eiskönigin am unverbrüchlichsten die Treue halten – abgesehen von den Eisdryaden.«
»Wäre es möglich, dass die beiden zusammenarbeiten?«
»Nein!«, entschieden schüttelte Kaylen den Kopf. »Du hättest sie hören sollen, als sie sich der Splitter wegen gestritten haben. – Vor dem Mädchen mögen sie es nicht zugeben, aber sie verachten einander.« Er lehnte sich mit der Schulter gegen
die Kamineinfassung und verschränkte die Arme vor der Brust. »Der Faun mag ein Zauberer sein, und vielleicht steht er tatsächlich im Dienst des Lords des Feuers, aber: Er ist nicht derjenige, um den wir uns Gedanken machen müssen. Dieser Morgwen ist die Gefahr. – Ich bin mir sicher, er duldet die Anwesenheit des Fauns nur, weil es ihm hilft, die Kleine in Sicherheit zu wiegen. Immerhin gibt er vor, sie nur zum Avaën zu führen.«
»Was wirst du tun?«
Einen Moment schaute er ins Feuer, dann sah er sie mit hartem Blick an. »Alles, was nötig ist, um zu verhindern, dass das Mädchen den Spiegel für ihn zusammensetzt. Ich werde noch heute einen Boten zum Lord des Feuers schicken. Wenn jemand diesen Kerl aufhalten kann, dann er. Und bis dahin darf er keinen Verdacht schöpfen.«
»Er wird Jarlaith verlassen wollen, jetzt, wo er deine Splitter hat.«
»Das befürchte ich auch. – So verrückt das klingen mag: Es widerstrebt mir, ihn in den Kerker werfen und in Eisen legen zu lassen. Immerhin war er es, der mich von dem Einfluss dieser verdammten Spiegelsplitter befreit hat. Und dafür bin ich ihm dankbar.«
Gerdan nickte nachdenklich. »Nun, dann müssen wir eine andere Möglichkeit finden, seine Abreise hinauszuzögern.«
Aufmerksam musterte Kaylen seine Gemahlin, schwieg, wartete – und beugte sich vor, als ein Lächeln über ihre Lippen huschte. Er kannte sie gut genug, um in ihrer Miene lesen zu können, dass sie eine Lösung für sein Problem hatte.
»Sprich!«, bat er schlicht.
Das Lächeln vertiefte sich. »Er wird nichts tun, was sein Verhältnis zu Cassim gefährden könnte. Ebenso wenig wird er ihr einen Wunsch abschlagen, wenn es für sie keinen ersichtlichen Grund dafür gibt. – Wir müssen nichts anderes tun, als sie dazu zu bringen, noch ein paar Tage in Jarlaith zu verweilen.«
»Wie willst du das anfangen? Es gibt nichts, was sie hier halten könnte.«
»Bist du sicher? Sie ist jung, und es gibt einen Mann, dem sie gefallen möchte. Man muss ihr nur eine Gelegenheit dazu geben.«
Mit einem verstehenden Lachen stieß er sich von der Kamineinfassung ab, trat auf Gerdan zu, um sie zu küssen – und erstarrte, als sie zurückzuckte. Das Verlangen, etwas zu zerschlagen, war für einen Augenblick beinah übermächtig. Doch statt ihm nachzugeben, wich er einen halben Schritt zurück und fasste die Hand seiner Frau so behutsam, dass sie sich seiner Berührung jederzeit hätte entziehen können. Als sie es nicht tat, wagte er es, sacht ihre Fingerknöchel an seine Lippen zu heben.
»Ich liebe dich!«, hauchte er kaum hörbar.
Er schwankte. Seine Beine wollten ihn nicht mehr tragen. Der Geruch von gebratenem Fleisch und süßem Backwerk machte es ihm trotz des Eises schwer, hier in der Stadt der Witterung der anderen zu folgen. Schritt um Schritt kämpfte er sich voran. Das verzweifelte Heulen der Wölfinnen klang noch immer in seinen Ohren. Um ihn herum lachten die Bewohner Jarlaiths. Er konnte ihre Blicke auf sich spüren. Jemand rempelte ihn an. Nur mit Mühe fand er sein Gleichgewicht wieder. Stimmen riefen ausgelassen durcheinander.
Ein Mann schnitt dampfende Scheiben saftigen Bratens von einem Ochsen, der sich langsam über einem Feuer drehte, verteilte sie an die Vorübergehenden. Jäh erwachte der Hunger und erinnerte ihn daran, dass er in den letzten Tagen nichts gefressen hatte. Er riss dem Mann ein Stück aus der Hand, beachtete dessen überraschten Ausruf nicht. Gierig schlug er die Zähne hinein, schlang es hinunter. Er merkte kaum, wie er sich den
Schlund daran verbrannte. Beinah sofort krampften seine Eingeweiden sich zusammen. Es gelang ihm gerade noch, in eine schmale Gasse zu wanken,
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