Der Spiegel von Feuer und Eis
regelmäßigen Abständen zwischen die kunstvoll gearbeiteten Glieder eingefügt. Wenn sie es zuließ, hörte sie das Kichern und Flüstern der Steine, die es genossen, getragen und bewundert zu werden. Kaylen hatte ihr das Schmuckstück bringen und ihr ausrichten lassen, die blitzenden grünen Edelsteine würden bestimmt hervorragend zu ihrem Gewand passen. Zunächst hatte sie sich geweigert, die kostbare Kette als Geschenk anzunehmen. Doch der Prinz wollte sie seinerseits nicht
zurück. Schließlich war es Morgwen, der sie – ohne es zu ahnen – dazu brachte, dass sie nachgab. Er hatte plötzlich in der Tür gestanden und sich erkundigt, warum dieser Diener ständig über den Korridor hastete. Dabei hatte er den Schmuck in ihrer Hand entdeckt, ihn ihr abgenommen und um den Hals gelegt. Sein »Die Steine haben die gleiche Farbe wie deine Augen« hatte den Ausschlag gegeben. Nach seiner Meinung zu ihrem Kleid gefragt, hatte er sie mit gehobenen Brauen gemustert. Nach einer Ewigkeit hatte er ein »Ganz nett« herausgebracht und war gegangen.
»Ganz nett.« Cassim blies gegen eine Haarsträhne, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte. Den Blicken der übrigen Männer im Saal nach zu schließen, war es mit seinem geschwungenen Ausschnitt und den weiten, angesetzten Ärmeln, die ihre Schultern frei ließen, mehr als nur »Ganz nett«. Jeder der anwesenden Herren ohne Begleitung – und auch einige, die nicht alleine gekommen waren – hatte sie um einen Tanz gebeten. Auch Kaylen hatte es sich nicht nehmen lassen, sie in eine Runande zu führen. Selbst Jornas hatte mit ihr getanzt. Nur Morgwen nicht – was nicht hieß, dass er überhaupt getanzt hätte. Und dabei waren selbst Cassim die Blicke nicht entgangen, mit denen einige der weiblichen Gäste ihn geradezu verschlangen – auch wenn Morgwens Haltung sie davon abhielt, ihm zu nahe zu kommen.
Verstohlen sah sie in seine Richtung. Kaylen hatte es tatsächlich geschafft, dass er etwas anderes trug als weißes Leder. Er war in enge Hosen und ein weit fallendes Hemd aus Seidenwolle gekleidet, das von einem Gürtel aus gehämmerten Silberplättchen um die Taille gerafft wurde. Beides war von einem kalten Blau und an den Aufschlägen und Säumen mit Silber und Schwarz abgesetzt. Sein Haar war glatt nach hinten gekämmt, was seine fein geschnittenen Züge noch mehr hervorhob. Er lehnte mit abweisend vor der Brust verschränkten Armen in der Nähe eines der hohen Fenster an der Wand – und
beobachtete das Treiben um sich herum voll gelangweilter Arroganz und verächtlichem Abscheu.
Beinah schien es, als habe er Cassims Blick gespürt, denn seine frostglitzernden Augen wandten sich ihr zu. Sie fühlte sich ihrerseits gemustert, dann zuckte es kurz um seinen Mund, er wandte sich ab und trat durch eine der zweiflügeligen Türen hinaus in den unter Eis begrabenen Palastgarten. Erneut blies Cassim gegen die aufsässige Haarsträhne. Seitdem sie Kaylens Gäste waren, benahm Morgwen sich seltsam. Die meiste Zeit des Tages strich er über die Zinnen und Wehrgänge der Palastmauern oder wanderte durch die endlosen Korridore. Manchmal verschwand er auch einfach in den Straßen der Stadt. Dann tauchte er gewöhnlich erst wieder auf, wenn die Sonne unterging und das Licht im Inneren der Eiskuppel sich in einen sanften bläulichen Schimmer verwandelte.
Zu allem Überfluss schien irgendetwas zwischen ihm und Jornas vorgefallen zu sein. Wann immer sie zusammentrafen, bedachte der Faun ihn mit Blicken, die jeden anderen in Angst versetzt hätten. Morgwen begegnete ihnen mit einer eisigen Verachtung, die Cassim erschreckte. Zudem hatte Jornas sie schon mehrfach gebeten – nein, geradezu angefleht -, Morgwen unter gar keinen Umständen weiter zu trauen. Doch seltsamerweise hatte er weder vorgeschlagen, ihn fortzuschicken, noch, ihn einfach in Jarlaith zurückzulassen. Abermals blies sie gegen die rebellische Strähne. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, er geht sogar mir aus dem Weg. Aber warum sollte er das tun? Ich habe ihm keinen Grund gegeben. Ein elegant gekleideter junger Mann trat vor sie und bat mit einer höflichen Verbeugung um den nächsten Tanz. Cassim zwang sich zu einem Lächeln – und schickte ihn fort. Es gab im Augenblick nur einen Mann, mit dem sie tanzen wollte. Und – Feuer und Erde – ich werde mit ihm tanzen, selbst wenn ich den ganzen Garten nach ihm absuchen muss. Mit einer entschlossenen Bewegung schob sie die aufsässige Haarsträhne unter
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