Der Spiegel von Feuer und Eis
seine muskulöse Brust. Der Offizier gab Gerdan frei und wich hastig zurück.
»Was bei den Flammen hat das zu bedeuten? Wie könnt ihr es wagen, Hand an die Prinzessin zu legen?« Prinz Kaylens Blick glitt durch den Raum, blieb an Ernan hängen. Seine Brauen zogen sich gefährlich zusammen. »Warum ist der Hauptmann meiner Leibgarde gefesselt? Wer sind diese beiden Fremden? Was geht hier vor? Rede, Kerl!« Er drehte sich zu dem Offizier um, der rasch einen weiteren Schritt zurücktrat.
»Aber … Hoheit … Ihr selbst habt …« Der Mann brachte nur ein Stammeln zustande.
»Was habe ich? – Nehmt der Prinzessin und Hauptmann Ernan die Fesseln ab! Sofort!«
Der Offizier rang hilflos die Hände. »Hoheit … Eure Befehle … Ihr habt Ernan Siren Eochaid selbst als abtrünnig gebrandmarkt und seines Postens enthoben. Und die Ketzerhexe …« Unter Kaylens Blick brachte er die Worte nur stockend hervor. »… Ihr habt den Bann über sie gesprochen. Jeder, der sie Euch bringt, wird mit Korn belohnt. Und gestern sagtet Ihr,
dass Ihr sie auf dem schwarzen Platz verbrennen würdet, sobald Ihr sie in die Hände bekommt.«
»Ich … was? – Bist du verrückt geworden, Mann? Was redest du da?«
Schockiertes Schweigen folgte seinen Worten. Unsicher starrten die Krieger zuerst ihn, dann einander an. Prinz Kaylens Augen wurden schmal. Sein Blick ging zu Gerdan, die ihn ebenso fassungslos ansah. Mit einem Fauchen riss er dem Offizier den Dolch aus dem Gürtel und näherte sich ihr. Er erstarrte, als sie vor ihm zurückzuckte. Verwirrung malte sich auf seinen Zügen. Die Knöchel weiß am Griff der Waffe, beugte er sich nach einem Zögern über sie und durchschnitt ihre Fesseln. Schließlich trat er zurück und warf die Klinge beinah angewidert einem der Männer zu, damit der Ernan befreite.
»Hinaus! Nur Hauptmann Ernan und Prinzessin Gerdan bleiben hier!«, befahl er dann barsch.
»Aber … Hoheit …« Der Offizier schluckte.
Kaylen fuhr zu ihm herum. »Seit wann muss ich meine Befehle wiederholen? – Raus! Alle!«
Hastig nickte der Mann und gab seinen Kriegern einen Wink. Unsanft wurden Morgwen und Cassim hochgezerrt und zur Tür gestoßen.
»Wartet!« Die Stimme des Prinzen hielt die Wachen zurück. »Bringt die beiden in mein persönliches Arbeitszimmer. Bis ich weiß, was hier vor sich geht, werden sie mit Respekt behandelt. – Und nehmt dem Mädchen die Fesseln ab. Bei den Flammen, sie ist ja wohl kaum gefährlich. – Hinaus!«
Die Männer beeilten sich, ihm zu gehorchen. An verängstigt blickenden Dienern vorbei wurden Cassim und Morgwen ein kurzes Stück den Korridor hinunter und schließlich in ein anderes Gemach geführt. Die Reste von Holzscheiten lagen in einem Kamin. Feuerbecken verbreiteten angenehme Wärme. In ihrem Licht erschien der mächtige Vogel mit dem Flammengefieder auf einem der Wandbehänge beinah lebendig. Die Wachen
führten sie zu ein paar weich gepolsterten Stühlen mit geschwungenen Armlehnen, die vor einem schweren Schreibtisch standen, und zwangen sie, sich zu setzen. Erst jetzt nahmen die Männer Cassim die Fesseln ab, ehe sie mit reglosen Mienen bei der Tür Posten bezogen. Nur das leise Knistern der Feuer durchbrach die Stille.
Quälend zäh verrann die Zeit. Bei jedem Geräusch schreckte Cassim auf – und sackte auf ihren Sitz zurück, die Hände so fest ineinandergeklammert, dass es schmerzte. Auch wenn sie sein seltsames Verhalten eben nicht zu deuten wusste, so würde Prinz Kaylen sicher schon bald den Befehl geben, sie in den Kerker zu werfen. Wenn er sie nicht sofort hinrichten ließ.
Verzweifelt rieb sie sich übers Gesicht. Als sie die Hände wieder sinken ließ, begegnete sie Morgwens Blick. Beinah glaubte sie, Belustigung in seinen Augen zu sehen. Während sie vor Angst zitterte, saß er scheinbar vollkommen gelassen da. Nur gelegentlich drehte er seine Handgelenke in den Fesseln oder spannte für einen kurzen Moment die Schultern, offenbar um seine sich allmählich verkrampfenden Muskeln zu lockern.
Cassim zuckte zusammen, als die Tür unvermittelt aufgerissen wurde und Prinz Kaylen den Raum betrat. Sein Blick streifte sie nur kurz, dann heftete er sich auf die Wachen. »Lasst uns allein!« Die Männer zögerten, doch ein knapper Wink, und sie taten hastig, was er verlangte. Fast übertrieben bedächtig schloss Jarlaiths Prinz die Tür hinter ihnen, ehe er sich zu Cassim und Morgwen umdrehte und sie schweigend musterte. Der Schein der Feuerbecken ließ die Rubine
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