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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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Augenblick, der eine köstliche Möglichkeit barg.
     

Der Pascho
     
     
    Der trockene Wind trieb den beißenden Geruch von verbranntem Dung heran. Tief atmete Raphel Ka’Korum den Duft ein, der so viele Erinnerungen in ihm weckte; dann erst zog er sich das elektrostatische Tuch über Mund und Nase, wandte sich zu den im Breitrad verbliebenen Reisegästen um und nahm sein Gepäck entgegen.
    Eine Böe fuhr durch die Gruppe. Tücher lösten sich und flatterten aufgeregt durch die Luft; braune Hände schnappten nach den ausgefransten Fahnen, bevor sie knisternd und Funken sprühend über staubverkrustete Nasen und Münder gezogen wurden. Ein Mann – dem Kruzifix nach zu urteilen ein Kai, dem seidenen Hemd nach ein Keli – reichte Raphel seine Ledertasche hinunter. Anschließend verabschiedete er sich, dem Ritus der Sterilität entsprechend, indem er die Hände aneinanderlegte und den Kopf neigte. Raphel tat es ihm gleich. Die anderen Mitreisenden – ein bunter Haufen Talbewohner, die auf der Ladefläche des Breitrads zusammengepfercht waren – falteten beflissen freundlich die Hände, wie es einem Mann in Paschogewändern und mit den Zeichen des Vollendeten gebührte.
    Langsam rollte das Breitrad davon. Die zwiebelförmigen Räder knirschten über den ausgedörrten und von Rissen durchzogenen Wüstenboden des Beckens. Raphel blickte dem ramponierten Gefährt nach. Die Fahrgäste erwiderten seinen Blick, und in ihren Augen stand die Frage, warum ein Keli-Pascho mitten in der Wüste ausstieg. Raphel wandte sich zu seinem Dorf um.
    Wie eine kleine Flüchtlingsschar mit kegelförmigen Hüten steckten die runden Behausungen der Jai die Köpfe zusammen. Ihre spitzen Dächer drängten sich eng aneinander, und die Lehmziegelkleider waren mit weißen geometrischen Mustern verziert. Umgeben waren sie von bestellten Feldern voller Lehmklumpen, die geduldig ausharrten, während der Wind über sie hinwegfegte, Staubwolken aufwirbelte und diese dann über die blasse Ebene tanzen ließ. In der Ferne ragten die Gebeine der alten Stadt aus dem Talboden – stumme Ruinen aus Stahl und Beton, die schon so viele Generationen verlassen waren, dass sich selbst die Jai nicht mehr daran erinnern konnten.
    Raphel nahm das Tuch ab und atmete noch einmal tief ein, um den mit wehmütigen Erinnerungen getränkten Geruch seiner Heimat in sich aufzunehmen, bis seine Lunge vollständig damit gefüllt war. Eine Wolke aus Staub, verbranntem Dung und Salbei wurde von den fernen Bergen herübergetragen. Irgendwo im Dorf briet Fleisch über dem Feuer. Wahrscheinlich ein schallgelähmter Kojote oder ein Kaninchen, das gehäutet worden war, ehe es wieder zu Bewusstsein kommen konnte, und das jetzt fetttriefend über glühenden Kohlen hing. Raphel atmete erneut ein und befeuchtete seine Lippen. Sie waren schon jetzt trocken und rissig. Seine Haut, die sich längst an die Luftfeuchtigkeit Kelis gewöhnt hatte, fühlte sich an wie eine Maske, die jeden Moment abfallen konnte.
    Wehmütig blickte er über die Schulter zu dem sich entfernenden Breitrad zurück, das wie ein Kinderspielzeug auf die gräulich schimmernde Grenze zwischen blauem Himmel und gelbem Lehmboden zukroch. Mit einem Seufzer schulterte er seine Ledertasche und machte sich auf den Weg ins Dorf.
    Rasch war er bei den wenigen verstreuten Hütten am Rand der Siedlung angelangt. Sie bildeten eine undurchdringliche Reihe dicker Wände mit fürchterlich beengten Gassen. Willkürlich schlängelten sie sich mal in die eine, mal in die andere Richtung und führten Eindringlinge so stolpernd in Sackgassen und Todeshöfe. Über ihnen baumelten Schallbirnen, deren aufgesperrte Schnäbel nur darauf warteten loszukreischen.
    Raphel wandelte durch die Verteidigungsanlagen der Jai und folgte dabei einem Weg, der ihm schon als kleines Kind vertraut gewesen war. Er erkannte Bia’Giomos Haci wieder und erinnerte sich auch daran, wie ihn die alte Frau früher mit Zuckerbröckchen bezahlt hatte, wenn er für sie Brunnenwasser holen gegangen war. Auch die blaue dicke Tür, die auf Evias Hof führte, war noch da, und ihm fiel wieder ein, wie sie sich einmal halb erstickt vor Lachen unter dem Bett ihrer Eltern versteckt hatten, während diese über ihnen stöhnten und quietschten. Seine Mutter hatte ihm geschrieben, dass Bia’Giomo nicht mehr lebte und Evia jetzt Bia’Dosero hieß und in Clear Spring Village wohnte. Raphel bog um eine weitere Ecke und sah den alten Martiz vor seiner Haci hocken. Er kochte

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