Der Spieler (German Edition)
spindeldürren Flötenmädchen verloren hatte, an Belaris Kreatur, die sich in Schränken versteckte, sodass die Angestellten überall nach dieser selbstsüchtigen kleinen Milbe suchen mussten.
Fassungslos schüttelte Lidia den Kopf. Burson hatte nichts verstanden. Obwohl er maßlos genetisch aufgerüstet worden war, war er blind – so sehr daran gewöhnt, in anderen Furcht zu wecken, dass er sie nicht mehr länger von Schuldgefühlen unterscheiden konnte.
Eine neue Schar Bewunderer umschwärmte Belari – Menschen, denen klar war, dass sie bald unabhängig sein würde. Wenn Belari die Flötenmädchen erst an die Börse gebracht hatte, würde sie beinahe ebenso mächtig sein wie Vernon Weir, da der Kurs ihrer Aktien nicht länger nur auf dem Wert ihrer eigenen Vorführungen beruhen würde, sondern auch auf dem ihrer Schützlinge. Mit der Phiole in der geballten Hand machte Lidia sich auf den Weg zu ihr.
Nia hatte sich bereits zu Belari gesellt und sprach mit Claire Paranovis von SK Net. Anmutig nickte Nia, wann immer die Frau sie etwas fragte, genau wie Belari es ihnen beigebracht hatte: immer höflich, niemals aufgeregt, sich freundlich am Gespräch beteiligen, ohne zugeknöpft zu wirken, dafür stets mit einer kleinen Anekdote auf den Lippen. So bewegte man sich in der Welt der Medien. Wenn man ihnen etwas an die Hand gab, fingen sie gar nicht erst an, tiefer nachzubohren. Nia schien mit ihrer Rolle zufrieden. Ganz kurz empfand Lidia so etwas wie Bedauern über das, was sie Nia antun würde, aber dann stand sie neben Belari und wurde lächelnd Männern und Frauen vorgestellt, die sie mit begeisterter Zuneigung überschütteten. Mgumi Story. Kim Song Lee. Maria Blyst. Takashi Gandhi. Immer mehr große Namen aus der Medienelite.
Lidia lächelte und verbeugte sich, während Belari die ausgestreckten Hände abwehrte, die Lidia gratulieren wollten, um ihre feingliedrige Investition zu schützen. Lidia benahm sich, wie es ihr beigebracht worden war, aber in der Hand hielt sie die schweißbedeckte Phiole, ein kleines Juwel der Macht über das Schicksal. Stephen hatte recht gehabt. Die kleinen Leute konnten nur ihr eigenes Ende selbst bestimmen – und manchmal nicht einmal das. Lidia beobachtete, wie die Gäste Scheibchen von Stephen aßen und Bemerkungen über den zarten Geschmack fallen ließen. Manchmal nicht einmal das.
Nachdem Lidia sich von ihren Bewunderern abgewandt hatte, langte sie nach einer Erdbeere, die ganz oben auf einer Fruchtpyramide des Buffets lag. Sie stippte sie in Sahne und wälzte sie anschließend in Zucker, ließ sich den süßen Mix auf der Zunge zergehen. Dann suchte sie eine weitere Beere aus – rot und weich lag sie auf ihren spinnenhaften Fingern wie ein süßes Bindeglied zur bitteren, aber verdienten Freiheit.
Mit dem Daumen entkorkte Lidia die Phiole und träufelte bernsteinfarbene Juwelen auf die dicke Beere. Sie überlegte, ob es wohl wehtun oder ob es schnell gehen würde. Aber eigentlich spielte das kaum eine Rolle, bald schon würde sie frei sein. Sie würde aufschreien und zu Boden fallen, und die Gäste würden bestürzt über Belaris Verlust zurückweichen. Belari hingegen wäre gedemütigt, und, was noch wichtiger war, ihr wäre so der Wert der Flötenzwillinge genommen. Damit hätten Vernon Weirs lüsterne Hände sie wieder fest im Griff.
Lidia betrachtete die vergiftete Erdbeere. Süß, dachte Lidia. Der Tod sollte süß sein. Dann bemerkte sie, wie Belari sie mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen anschaute. Wahrscheinlich war sie froh darüber, dass noch jemand so sehr auf Süßigkeiten versessen war wie sie selbst. Lidia war insgeheim glücklich darüber, dass Belari den Augenblick ihrer Auflehnung mitansehen würde. Sie führte die Erdbeere an die Lippen.
Plötzlich flüsterte ihr eine neue Eingebung etwas ins Ohr.
Nur einen Zentimeter vom Tod entfernt zögerte Lidia, drehte sich dann um und hielt ihrer Gönnerin die Beere hin.
Sie überreichte sie ihr mit einer derart demütigen Verbeugung, wie sie nur ein gänzlich unterworfenes Wesen zustande brachte. Mit gesenktem Kopf bot sie ihr die in der blassen Hand liegende Frucht dar, setzte all ihre schauspielerischen Fähigkeiten ein, um die ergebene Dienerin zu spielen, die gefallen möchte. Lidia stockte der Atem, sie nahm nichts mehr um sich herum wahr. Die Gäste und ihre Gespräche waren verstummt. Alles war völlig still.
Nur noch Belari und die Beere existierten in diesem der Zeit enthobenen
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