Der Spieler (German Edition)
jenseits der Berge. Doch er schob den Gedanken beiseite und betrachtete die ebenmäßigen Gesichtszüge des dunkelhäutigen Mädchens. Mit dem schlanken, anmutigen Gesicht glich sie einem Vogel. Ihre Wangenknochen traten hervor, doch sie war schön. Als sie ihn fragend anblickte, nahm auch er sein Tuch ab. Sie musterten einander eingehend.
Schließlich sagte sie: »Du siehst viel besser aus als auf deinen Fotos. Selbst mit all den Tätowierungen.«
»Hast du Schlimmeres erwartet?«
Mala lachte. Sie schob sich das vom Wind zerzauste Haar aus dem Gesicht. Dabei entblößte sie die wie ein Hakenmesser geschwungene Rundung von Kinn und Kiefer. »Ich dachte, du wärst älter. Für einen Pascho bist du noch sehr jung. Ich dachte, meine Tante hätte übertrieben.«
Raphel blickte zu den beiden tratschenden Frauen im Blau der Ehe hinüber, die mit neugierigen Blicken auf ein Zeichen lauerten, dass ihre Hochzeitspläne aufgingen. »Nein. Bia’Hardez ist in diesen Dingen immer ehrlich. Sie hat auch meinen Cousin unter die Haube gebracht.«
»Ich habe noch nie einen jungen Pascho gesehen.«
»Meine Lehrer haben sich viel Mühe gegeben.«
»Wie lange warst du in Keli?«
»Zehn Jahre.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich würde es dort keine Woche aushalten. All das Wasser. Mein Großvater hat mir erzählt, dass es dort manchmal monatelang regnet.«
»Eigentlich ist es sehr schön dort. Wenn der Regen auf die Seen fällt, bilden sich Tausende kleiner Kreise auf ihnen. Man kann sich auf eine der Marmorbrücken stellen und die samtweichen Tropfen spüren.«
Das Mädchen richtete den Blick auf die alte Stadt. »Im Regen könnte ich niemals leben.« Die rußgeschwärzten Ruinen betrachtend, sagte sie: »Es heißt, die Menschen in Keli gäben einander die Hand. Sogar Fremden. Und dass sie Fisch essen würden.«
Raphel nickte. »Das stimmt. Ich kann das bezeugen.«
Schaudernd schlang sie sich die Arme um den Oberkörper. »Ekelhaft. Bia’Hardez hat mir erzählt, dass dein Großvater dich lieber umbringen würde, als dir zu erlauben, hierher zurückzukehren.«
Raphel zuckte mit den Achseln. »Er ist sehr traditionell. Ihm gefällt es nicht, dass ich nach Keli gegangen bin.«
»Die meisten Leute hätten gerne einen Pascho in ihrer Familie.«
»Von meinem Großvater hast du ja gehört.«
»Oh ja. Einer meiner Verwandten starb während des Keli-Kreuzzugs. Als sie die Stadt niedergebrannt haben.«
Raphel dachte an die abgeschlagenen Stellen von Milliners Statue, und er fragte sich, ob eine der Hakenmesserhände, die vergeblich versucht hatten, ihn zu stürzen, seinem Großvater gehört hatte. Oder hatte er brandschatzend und mordend die Pascho-Bibliotheken gestürmt und die abgetrennten Häupter der getöteten Paschos neben die Büsten von Platon und Einstein gestellt? Er verdrängte diese Vorstellung. »Singen sie Lieder für ihn in Kettle Rock?«
»Selbstverständlich. Er ist dort allen noch lebhaft in Erinnerung.«
»Das ist gut.«
Mala richtete die schwarz umrandeten Augen auf ihn und betrachtete ihn abschätzend. »Meine Tante meint, ein Pascho wäre ein guter Mann für mich.« Sie unterbrach sich und strich ihr Haar zurück. Dann glitt ihr Blick noch einmal zu der zerstörten Stadt in der Ferne, bevor sie ihn wieder direkt anschaute. Sie zuckte leicht mit den Achseln.
»Aber du siehst das anders«, sagte Raphel schließlich.
»Ein Ehemann sollte aus derselben Gegend stammen.«
»Das Tal ist immer noch mein Zuhause.«
»Aber dein Großvater verleugnet dich. Und meine Familie ist sehr traditionell.«
»Deine Tante scheint keine Einwände zu haben.«
»Sie lebt ja auch nicht in Kettle Rock. Ich muss mich dort meiner Familie gegenüber verantworten.« Sie schüttelte den Kopf und betrachtete ihn noch einmal eingehend. »Du hast so etwas an dir. Es ist nicht Jai.«
Raphel warf ihr einen wütenden Blick zu. »Und was glaubst du, könnte das sein?«
Sie legte den Kopf schräg und sah ihn prüfend an. »Schwer zu sagen. Vielleicht hat Keli auf dich abgefärbt. Oder irgendeine Wasserrose hat dein Herz erobert. So ein Mädchen mit schwarzem Zopf und Silbergürtel um die Hüften. Diese Keli-Frauen sollen sehr sanft sein, habe ich gehört. Nicht wie die Wüstenmädchen. Wir sind Falken. Sie kleine Spatzen.« Mala lachte. »Nein. Ich glaube nicht, dass du der richtige Mann für mich bist. Ich bin ein traditionelles Mädchen.«
Raphel lachte ebenfalls. »Du hältst dich für traditionell? Obwohl du ein Keli-Tuch trägst
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