Der Spieler (German Edition)
und dir die Augen schminkst, wie es die Mädchen in Keli tun, hältst du dich für Jai?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich erwarte nicht, dass du das verstehst.«
»Ich bin Jai. Mein Hakenmesser ist immer noch scharf.«
»Das behauptest du.« Sie schüttelte den Kopf. »Geh zurück nach Keli, Raphel. Such dir ein sanftes Wassermädchen, das die wenige in dir verbliebene Wüstenschärfe liebt. Dein Großvater hat recht. Du gehörst nicht hierher.« Sie zog sich wieder das Tuch vors Gesicht.
Während sie im starken Wind davon ging, bewunderte Raphel, wie sich die Röcke an ihre Hüfte schmiegten. Obwohl er kurz mit dem Gedanken spielte, ihr nachzugehen, zwang er sich dazu, ruhig stehen zu bleiben. Damit würde er nur das Gesicht verlieren. Also drehte er sich um und schritt ebenfalls davon, bevor die zwei Anstandsdamen erkannten, dass er für untauglich befundenworden war.
»Der Weg des Pascho besteht nicht einfach nur aus Lesen. Wissen ist gefährlich. Das hat uns das Erste Zeitalter gelehrt, in dem die Menschen äußerst schnell lernten, wie die Ameisen. Auch die wenigen Überbleibsel von dem, was sie einst schufen, lehren uns dies. Wissen ist ein zweischneidiges Schwert. Jeder Nutzen birgt gleichzeitig eine Gefahr. Alles Gute trägt das Böse in sich. Unachtsamkeit und bequeme Lösungen führen ins Chaos.
Ein Pascho muss Wissen nicht nur erwerben, sondern es sich auch verdienen. Unsere Bibliotheken sind verschlossen und die in ihnen verborgenen Gedanken in Stufen der Vollendung eingeteilt. Wir halten dieses Wissen nicht deshalb unter Verschluss, weil wir nach Macht streben, so wie es uns Außenstehende oftmals vorwerfen. Sondern weil wir es fürchten. Ein Pascho wird man nicht durch Studien, sondern durch Weisheit. Milliner war sich im Klaren darüber, dass Wissen wieder verbreitet werden müsste, aber dieses Mal ohne die Zerstörung, die damit einhergehen kann. Wissen und Technologie sind nicht für jeden, den es danach verlangt. Dieser Weg führt ins Verderben. Das haben wir im Ersten Zeitalter erlebt. Wir sind zu schnell vorwärts geschritten und wurden dafür bestraft. Dieses Mal werden wir langsam vorwärts gehen, so langsam wie die Schildkröte, und hoffen, dass es keine Zweite Säuberung geben wird.«
Pascho Cho Gan, CS 580. (Pascho Weisheiten, Bd. XX)
Ich habe gestern eine Frau getroffen.«
Umgeben von Haufen roter Chilischoten, die in der Sonne trockneten, saß der alte Gawar vor der Tür seiner Haci. Der Duft des scharfen Gewürzes ließ Raphel husten. Nachdem der alte Mann grinsend einige trockene Schoten aus dem Haufen gezogen hatte, drehte er sie in den knotigen Fingern hin und her und legte sie schließlich in seinen Mörser, um sie zu rotem Pulver zu zermahlen. Anschließend kippte er die roten Flocken in einen Tonkrug. »Also ist mein Enkel gekommen, um mich ein weiteres Mal zu besuchen?«
»Was hast du Bia’Hardez erzählt?«
Der Alte lachte. »Mala hat dich zurückgewiesen, habe ich recht?« Er betrachtete Raphels wütendes Gesicht, und es war ihm Antwort genug. Dann fuhr er fort, seine Chilis zu mahlen, wobei er grinsend den Kopf schüttelte. »Selbst deine hirnlose Mutter sollte es besser wissen, als ein Treffen mit diesem Mädchen zu arrangieren.«
»Du hast mich bei ihr in Verruf gebracht.«
Sein Großvater lachte und stieß weiter in seinen Mörser. »Niemals.« Während er kraftvoll weiterarbeitete, stoben rote Wölkchen auf. »Aber es überrascht mich nicht. Ihr Großvater hat mit mir gekämpft. Er starb wie ein Wüstenlöwe. Wir haben auf Kelis Brücken gemeinsam gefochten. Wir haben ihre Türme erobert. Mala ist bestimmt zu stolz, um einen Fischesser zum Mann zu nehmen. Ich weiß nicht, was deine Mutter sich dabei gedacht hat. Ich bin mutig, aber einen von vornherein verlorenen Kampf würde selbst ich nicht ausfechten wollen.« Eine weitere Ladung Chilipulver wanderte in das Aufbewahrungsgefäß. »Du solltest dich an die Renali-Familie halten. Sie haben eine Tochter.«
»Diejenigen, die den Reiswein aus Keli verkaufen?« Raphel setzte eine finstere Miene auf. »Du achtest mich zu gering.«
Der alte Mann lachte. »Ach? Ist mein Enkel also doch ein Jai?«
»Ich war nie etwas anderes.«
»Würdest du Keli niederbrennen?«
»Wir befinden uns nicht im Krieg.«
»Der Krieg endet nie. Selbst jetzt rücken sie uns mit ihren Gütern und ihren Leuten immer dichter auf die Pelle. Sogar gute Mädchen wie Mala tragen Keli-Tücher. Wie lange noch, bevor wir wie die
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