Der Spieler (German Edition)
öffnet, voller Balkendiagramme, ein Ausblick in die Welt der Finanzen: Unser Aktienkurs ist durch den wachsenden Datenverkehr und die höheren Werbeeinnahmen bereits gestiegen.
Die Aktienbots verfügen über ihre eigene Version des Mahlstroms und reagieren auf das veränderte Verhalten der Leser. Entscheidungen über Kauf und Verkauf laufen über den Bildschirm, im Einklang mit Mackleys Popularität. Während er die Story füttert, wird die Bestie immer größer. Immer mehr Feeds greifen uns auf, immer mehr Menschen weisen ihre Freunde auf die Story hin, und sie alle bekommen die Botschaften unserer Werbekunden zu sehen – das bedeutet mehr Einnahmen für uns, weniger für alle anderen. Inzwischen ist Mackley größer als der Super Bowl. Und da sich die Story um Double DP dreht, ist die Leserschaft besonders gut verwertbar: Dreizehn- bis Vierzehnjährige, die Lifestyle-Elektronik kaufen, neue Musik, angesagte Kleidung, die neuesten Spiele, Frisuren-Stylings, Tablet-Skins, Klingeltöne. Nicht nur eine große Zielgruppe, sondern auch eine mit einem hohen Marktwert.
Unser Kurs steigt um einen Punkt. Bleibt stehen. Steigt weiter. Wir haben nun vier verschiedene Bildschirme laufen. Die Papcams bei Double DP, Motorräder mit Kameras, die die Polizisten bei der Verfolgung filmen, der aufsteigende Helikopter und außerdem das Fenster mit dem Interview der Vierzehnjährigen. »Ich empfinde viel für ihn. Da ist echt eine Verbindung zwischen uns. Wir werden heiraten.« Und dann sieht man wieder seinen Hummer, der den Santa Monica Boulevard entlangrast, dazu sein Song »Cowboy Banger« als musikalische Untermalung.
Eine neue Welle brandet durch die sozialen Netzwerke und trägt die Geschichte weiter. Unser Aktienkurs steigt noch einmal. Der Tagesbonus ist schon zum Greifen nahe. Die Klicks strömen weiter herein. Es ist genau die richtige Kombination – Mackley nennt sie immer SDS: Sex, Dummheit, Schadenfreude. Der Aktienkurs steigt weiter. Jeder im Raum jubelt. Mackley verbeugt sich. Wir alle lieben ihn. Zur Hälfte verdanke ich es ihm, dass ich meine Miete bezahlen kann. Selbst ein kleiner Redaktionsbonus aus seiner Arbeit genügt mir zum Leben. Ich weiß nicht genau, wie viel er selbst verdient, wenn er so eine Sensation liefert. Von Cindy weiß ich, dass er auf »gut siebenstellig, Schnuckelchen« kommt. Die Feeds mit seinem Namen haben so viele Abonnenten, dass er sich wahrscheinlich selbstständig machen könnte, doch dann hätte er nicht die Mittel zur Verfügung, um mal eben einen Helikopter auf die Jagd gen Mexiko zu schicken. Es ist eine symbiotische Beziehung. Er tut das, was er am besten kann, und Milestone zahlt ihm astronomische Honorare.
Janice klatscht in die Hände. »Also gut, Leute. Ihr habt euren Bonus. Jetzt zurück an die Arbeit.«
Ein allgemeines Stöhnen ertönt. Cindy verbannt alle Fenster, die sich um den Kurs oder einen Bonus drehen, vom großen Bildschirm, der nun wieder die anstehende Arbeit zeigt: Wir müssen Geschichten produzieren, die im Mahlstrom aufleuchten, die den Redaktionsraum mit dem grünen Licht der Milestone-Leuchtfeuer erhellen – alles Mögliche, von den Berichten über Mitsubishis neuen, schnellen Road Cruiser bis hin zur Frage, wie man den richtigen Truthahn für Thanksgiving auswählt. Mackleys Story begleitet weiter unsere Arbeit. Er produziert kleinere Ableger, Aktualisierungen, interaktive Elemente, ermutigt sein riesiges Publikum, immer mal wieder zu ihm zurückzukehren.
Marty wird den ganzen Tag in regem Austausch mit seinem Geschöpf verbringen, diesem Nachrichten-Elefanten. Wird seine Besucher immer wieder zu neuen Klicks bewegen. Dank ihm werden sie sich in Umfragen wiederfinden, über die ihrer Meinung nach gerechte Strafe für DP diskutieren und darüber, ob man sich wirklich in eine Vierzehnjährige verlieben kann. Diese Geschichte wird lange laufen, und Marty wird sie wie ein stolzer Vater hegen und pflegen und seinem Kind durch die raue Welt des Mahlstroms helfen.
Mein eigenes kleines, grünes Nachrichten-Pünktchen ist verschwunden. Anscheinend haben selbst die Biologen in den Behörden ihr Herz für Double DP entdeckt.
Wenn mein Vater nicht gerade tollkühne Wetten auf die Revolution abschloss, unterrichtete er Agrarwissenschaften an der Staatsuniversität Laos. Vielleicht wäre unser Leben anders verlaufen, wenn er als Bauer auf den Reisfeldern draußen vor der Stadt gearbeitet hätte, anstatt umgeben von Intellektuellen und Ideen. Aber sein Karma
Weitere Kostenlose Bücher