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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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noch nicht alles, Leute.« Er tippt noch einmal auf seine Tastatur und schickt damit eine weitere Sensation ins Netz: Live-Aufnahmen von Doubles Haus, wo ... es so aussieht, als ob der Mann, durch den russische Rednecks in Mode gekommen sind, in großer Eile zu seiner Tür hinausstürzt. Das ist eine Überraschung, dieses Video in Echtzeit. Die meisten freischaffenden Paparazzi haben nicht genug Geduld, um einfach herumzusitzen und darauf zu warten, dass ganz vielleicht etwas Interessantes passiert. Anscheinend hat Marty eigene, exklusive Papcams um das Haus postiert, die für ihn nach etwas Derartigem Ausschau halten.
    Wir alle schauen zu, wie Double DP die Tür hinter sich schließt. »Ich habe mir gedacht, dass es nur anständig wäre, DP vor der Veröffentlichung rechtzeitig zu benachrichtigen«, sagt Marty.
    »Ist er auf der Flucht?«, fragt Mikela Plaa.
    Marty zuckt mit den Achseln. »Das werden wir sehen.«
    Und tatsächlich sieht es so aus, als ob Double etwas tut, was in Amerika gemeinhin ein »OJ« genannt wird. Er springt in seinen roten Hummer und fährt los.
    Im Schein des zunehmend helleren grünen Leuchtens sieht man Martys Lächeln. Seine Geschichte wird immer größer, und für die weitere Entwicklung hat er sich perfekt positioniert. Andere Nachrichtenagenturen und Blogs hinken ihm hinterher. Im Mahlstrom blinken neue Folgemeldungen und gewinnen eine gewisse Eigendynamik; hektisch versuchen andere Redaktionen, auf den fahrenden Zug aufzuspringen.
    »Haben wir einen Helikopter vor Ort?«, fragt Janice. Sie ist aus ihrem verglasten Büro gekommen und blickt mit uns auf den Bildschirm.
    Marty nickt. »Wir sind gleich in Position. Ich habe gerade eine exklusive Zusage von der Polizei bekommen, also wird jeder unsere Berichterstattung einkaufen müssen.
    »Hast du bei Der lange Arm des Gesetzes Bescheid gegeben, wegen der Überschneidungen?«
    »Hab ich. Der Helikopter wird zum Teil von deren Budget bezahlt.«
    Marty setzt sich wieder hin und beginnt zu tippen; seine Tastatur klingt wie ein Maschinengewehr. Aus der Schaltzentrale hört man die Stimme von Cindy C., die bei unserer Telekommunikationsgesellschaft anruft und sicherstellt, dass für den erwarteten Ansturm genug Leitungen zur Verfügung stehen. Sie weiß etwas, was wir nicht wissen – Marty hat sie vorgewarnt. Sie schaltet gespiegelte Server-Farmen hinzu. Marty scheint sich des Publikums um sich herum nicht bewusst. Er hört auf zu tippen. Starrt auf den Mahlstrom, auf den leuchtenden Ball auf dem Bildschirm. Er ist der Maestro dieser Sinfonie.
    Der wirre Haufen konkurrierender Geschichten gewinnt an Masse, als Gawker und Newsweek und Throb in die Gänge kommen und eigene Beiträge produzieren. Unsere Leser klicken von uns weg, wollen wissen, ob es bei der Konkurrenz nicht etwas Neues gibt. Marty lächelt, drückt dann seine »Senden«-Taste und kippt damit einen neuen Eimer rohes Fleisch in das Haifischbecken des öffentlichen Interesses: die Videoaufnahme eines Interviews mit der Vierzehnjährigen. Sie wirkt sehr jung in der Aufnahme, erschreckend jung. Sie hält einen Teddybär im Arm.
    »Ich schwöre, der Bär stammt nicht von mir«, kommentiert Marty. »Sie hatte ihn selbst dabei.«
    Die Anschuldigungen des Mädchens werden während Doubles Flucht zur Grenze eingespielt, wie in einer Art rhythmischen Endlosschleife.
    »Und dann hat er ...«
    »Und ich habe gesagt ...«
    »Er ist der Einzige, den ich je ...«
    Es klingt so, als hätte Marty einige von Doubles eigenen Beats eingekauft, als Untermalung für dessen Flucht mit dem Geländewagen. Ausschnitte aus dem Video ploppen bereits wie Ping-Pong-Bälle in YouTube und MotionSwallow hin und her. Der Mahlstrom hat Double DP ins Zentrum des Bildschirms gerückt, da immer mehr Feeds und Webseiten das Thema behandeln. Und nicht nur die Zugriffszahlen schießen in die Höhe, die Sache gewinnt auch an gesellschaftlicher Relevanz, je mehr Links gesetzt werden und die Geschichte durch die sozialen Netze weitergetragen wird.
    »Wie steht der Kurs?«, ruft jemand in die Runde.
    Marty schüttelt den Kopf. »Die haben mir den Zugriff gesperrt.«
    Das liegt daran, dass wir ihn immer beknien, uns das große Ganze zu zeigen, sobald er eine wichtige Story absetzt. Wir drehen uns alle zu Janice um. Sie rollt mit den Augen, nickt dann aber zustimmend. Nachdem Cindy ihren Einkauf von mehr Bandbreite beendet hat, gibt sie die Ansicht frei. Der Mahlstrom gleitet zur Seite, als sich ein zweites Fenster

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