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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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strahlte am Ende der Allee unser ganzes Hotel auf, im Glanz seiner zahllosen Lichter – Gott sei Dank: Ich war zu Hause!
    Ich stürmte die Treppe hinauf und stieß die Tür auf. Polina war da, sie saß auf meinem Sofa, vor einer brennenden Kerze, und hielt die Arme auf der Brust verschränkt. Sie sah mich bestürzt an, ich muß in diesem Moment seltsam genug ausgesehen haben. Ich blieb vor ihr stehen und begann, meine schwere Geldlast auf dem Tisch aufzuhäufen.

Kapitel XV
    Ich weiß noch, daß sie mir furchtbar aufmerksam ins Gesicht sah, ohne sich zu rühren oder auch nur die Haltung zu verändern.
    »Ich habe zweihunderttausend Francs gewonnen«, rief ich, als ich die letzte Rolle auf den Tisch warf. Ein riesiger Haufen Banknoten und Goldrollen erhob sich auf dem Tisch, ich konnte meine Augen kaum abwenden; minutenlang vergaß ich Polinas Gegenwart ganz und gar. Bald ordnete ich die Stöße der Banknoten, die ich zusammensuchte, bald versuchte ich, das Gold zu sortieren, bald ließ ich alles liegen und nahm eine Wanderung durch das Zimmer auf, gedankenverloren, um plötzlich von neuem an den Tisch zu treten und von neuem das Geld zu zählen. Plötzlich stürzte ich zur Tür, als käme ich zur Besinnung, und schloß sie eilig ab, indem ich den Schlüssel zweimal umdrehte. Dann blieb ich nachdenklich vor meinem kleinen Koffer stehen.
    »Sollte ich es vielleicht bis morgen in den Koffer legen?« fragte ich, indem ich mich plötzlich Polina zuwandte, plötzlich erinnerte ich mich an sie. Sie saß immer noch regungslos auf demselben Platz, beobachtete mich aber unentwegt. Ihr Gesichtsausdruck war irgendwie eigenartig; dieser Ausdruck gefiel mir nicht! Ich täusche mich nicht, wenn ich behaupte, daß es etwas wie Haß war.
    Ich trat schnell auf sie zu. »Polina, hier, fünfundzwanzigtausend Florin – das sind fünfzigtausend Francs, sogar mehr. Nehmen Sie sie, und werfen Sie sie ihm morgen ins Gesicht.«
    Sie antwortete nicht.
    »Wenn Sie wünschen, bringe ich es hin, morgen früh. Ja?«
    Sie lachte plötzlich. Sie lachte lange.
    Ich sah sie erstaunt und leidvoll an. Dieses Lachen klang ähnlich wie das erst vor kurzem von mir häufig vernommene spöttische Lachen, das ich stets während meiner leidenschaftlichsten Liebeserklärungen zu hören bekam. Endlich verstummte sie und runzelte die Brauen; sie musterte mich streng unter der gesenkten Stirn hervor.
    »Ich werde Ihr Geld nicht nehmen«, sagte sie verächtlich.
    »Wieso? Was soll das?« stieß ich hervor. »Polina, warum denn?«
    »Ich lasse mir kein Geld schenken.«
    »Ich biete es Ihnen als Freund an; ich biete Ihnen mein Leben an.«
    Sie warf mir einen langen, forschenden Blick zu, als wollte sie mein Innerstes durchschauen.
    »Sie bieten zu viel«, sagte sie lächelnd; »die Geliebte von des Grieux ist keine fünfzigtausend Francs wert.«
    »Polina, wie kann man so mit mir sprechen!« rief ich vorwurfsvoll. »Bin ich denn des Grieux?«
    »Ich hasse Sie! Ja! … Ja! … Ich liebe Sie kein bißchen mehr als des Grieux«, rief sie mit plötzlich funkelnden Augen.
    Dann schlug sie plötzlich die Hände vors Gesicht und brach in hysterisches Schluchzen aus. Ich stürzte zu ihr.
    Ich begriff, daß etwas während meiner Abwesenheit mit ihr geschehen sein mußte. Sie schien völlig außer sich.
    »Kauf mich! Willst du! Willst du! Für fünfzigtausend Francs, wie des Grieux?« stieß sie unter krampfhaftem Schluchzen hervor. Ich hielt sie fest in den Armen, küßte ihre Hände, ihre Füße und warf mich vor ihr auf die Knie.
    Das hysterische Schluchzen ließ nach. Sie legte beide Hände auf meine Schultern und betrachtete mich aufmerksam. Es schien, als wolle sie in meinem Gesicht lesen. Sie hörte mir zu, aber offenbar ohne wahrzunehmen, was ich ihr sagte. Nun war ihr Gesicht besorgt und nachdenklich, ich hatte Angst um sie; es schien, als ob sich ihr Geist verwirrte. Bald umarmte sie mich und zog mich plötzlich an ihre Brust; ein hingebungsvolles Lächeln spielte bereits auf ihrem Gesicht; aber plötzlich stieß sie mich wieder zurück und starrte mich wieder mit düsterem Blick an.
    Plötzlich umarmte sie mich stürmisch.
    »Du liebst mich doch, du liebst mich doch?« fragte sie. »Du hattest doch vor … dich meinetwillen mit dem Baron zu duellieren!« Und plötzlich lachte sie laut, als wäre ihr etwas Komisches und Reizendes plötzlich eingefallen. Sie weinte und lachte – gleichzeitig. Was sollte ich tun? Ich war ja selbst wie im Fieber. Ich weiß

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