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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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noch, daß sie mir etwas erzählen wollte, aber ich habe fast gar nichts verstanden. Es war wie ein Delirium, wie ein Lallen – sie schien mir etwas so schnell wie möglich anvertrauen zu wollen – ein Fieberwahn, der hin und wieder von dem ausgelassensten Gelächter unterbrochen wurde, das mich inzwischen zu ängstigen begann. »Nein, nein, du bist lieb, lieb!« wiederholte sie. »Du bist mein Treuer!« Dabei legte sie wieder die Hände auf meine Schultern, starrte mich wieder an und wiederholte: »Du liebst mich … du liebst mich … du wirst mich doch lieben?« Ich konnte die Augen nicht von ihr wenden; ich hatte sie noch nie in einem solchen Anfall von Zärtlichkeit und Liebe erlebt; natürlich, es war ein Fieberwahn, aber … als sie meinen leidenschaftlichen Blick bemerkte, begann sie plötzlich listig zu lächeln; und plötzlich, völlig unvermittelt, von Mister Astley zu sprechen.
    Übrigens war sie immer wieder auf Mister Astley zu sprechen gekommen (besonders als sie mir vorhin etwas zu erzählen versuchte), aber was sie gemeint hatte, war mir dabei entgangen; es schien, sie hatte sich sogar über ihn lustig gemacht und pausenlos wiederholt, daß er warte … und immer wieder gefragt, ob ich wisse, daß er jetzt bestimmt unter dem Fenster stehe? »Doch, doch, unter dem Fenster, mach es doch auf, sieh nach, sieh nach, er ist hier, hier!« Sie stieß mich zum Fenster, aber bei meiner ersten Bewegung dahin brach sie in Gelächter aus, worauf ich bei ihr blieb und sie mich stürmisch umarmte.
    »Werden wir abreisen? Wir werden doch morgen abreisen?« Diese plötzliche Frage beunruhigte sie immer wieder. »Nun …«, (sie überlegte), »nun … könnten wir Babuschka noch einholen? In Berlin, glaube ich, werden wir sie einholen. Was meinst du, was wird sie sagen, wenn wir da sind und sie uns sieht? Und Mister Astley? … Na ja, der wird sich nicht den Schlangenberg hinabstürzen, was meinst du?« (Sie lachte.) »Aber weißt du, weißt du, wohin er im nächsten Sommer fahren wird? Er will zum Nordpol, um wissenschaftlich zu forschen, und hat mich eingeladen, mitzufahren, ha-ha-ha! Er behauptete, daß wir, die Russen, ohne die Europäer ahnungslos wären und völlig unfähig … aber er ist auch ein guter Mensch! Weißt du, er nimmt den ›General‹ in Schutz, er sagt, daß Blanche … daß die Leidenschaft – ich weiß nicht mehr, ich weiß nicht mehr«, wiederholte sie plötzlich, als hätte sie den Faden verloren. »Sie sind arm, sie tun mir alle so leid, auch Babuschka … Aber hör mal, hör mal, wie wolltest du denn des Grieux niederschießen? Wie konntest du bloß, wie konntest du dir einbilden, du könntest ihn umbringen? Oh, wie dumm bist du! Wie konntest du dir bloß einbilden, ich würde dich gegen des Grieux ins Duell schicken? Du könntest nicht einmal den Baron niederknallen«, fügte sie hinzu und lachte plötzlich. »Oh, wie sahst du damals komisch mit dem Baron aus; ich habe euch damals von meiner Bank aus beobachtet; und wie ungern bist du damals gegangen, als ich dich hinschickte. Wie hab’ ich damals gelacht, oh, hab’ ich damals gelacht«, wiederholte sie unter Lachen.
    Und plötzlich umarmte und küßte sie mich wieder und schmiegte leidenschaftlich und zärtlich ihr Gesicht an das meine. Ich aber dachte nun nichts mehr und hörte auch nichts mehr. Mir schwindelte …
    Ich glaube, es war gegen sieben Uhr früh, als ich zu mir kam; die Sonne schien ins Zimmer. Polina saß neben mir, sah sich befremdet um, als trete sie aus einem Dunkel ans Licht und sammele nun ihre Erinnerungen. Sie war ebenfalls gerade erwacht und starrte den Tisch und das Geld an. Mein Kopf war schwer und schmerzte. Ich wollte Polinas Hand nehmen, aber sie stieß mich plötzlich zurück und sprang vom Sofa auf. Der beginnende Tag war trübe; vor Sonnenaufgang mußte es geregnet haben. Sie trat ans Fenster, stieß es auf, lehnte sich weit hinaus, mit Kopf und Brust, und blieb eine Weile so stehen, die Unterarme auf das Fensterbrett gestützt, unbeweglich, etwa drei Minuten, ohne sich nach mir umzuwenden und ohne darauf zu achten, was ich sagte. Voller Angst fragte ich mich: Was soll jetzt werden, und wie wird es enden? Plötzlich erhob sie sich vom Fenster, trat an den Tisch, sah mich mit dem Ausdruck unendlichen Hasses an und sagte mit vor Bosheit zitternden Lippen:
    »So, und jetzt gib mir meine fünfzigtausend Francs!«
    »Polina, schon wieder, schon wieder!« begann ich beschwichtigend.
    »Oder hast

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