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Der Spinnenkrieg

Der Spinnenkrieg

Titel: Der Spinnenkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hartmanns Bunkerstation war einer der wenigen Orte gewesen, an denen sie sich beinahe zu Hause gefühlt hatte, erinnerte er sie doch auf Schritt und Tritt an die Welt, in der sie geboren und aufgewachsen war. Doch während der letzten drei Tage war sie sich sonderbar fremd vorgekommen, ein Eindringling, der nicht an jenen Ort gehörte. Vielleicht lag es an der Nähe der Jared. Der Stalscopter gewann langsam an Höhe und wandte sich nach Norden, als Charity dem Piloten ein Zeichen gab. Sie konnte das Gesicht des jungen Mannes nicht erkennen, denn es lag unter dem einseitig verspiegelten Visier des Neurohelmes verborgen. Aber sie behielt ihn trotzdem scharf im Auge. Seine Körperhaltung und die Hände, die mit kräftigem Griff auf dem Steuerknüppel lagen, verrieten Anspannung, aber nicht die mindeste Nervosität oder gar Unsicherheit. Der Stalscopter flog langsam und so ruhig, als bewege er sich auf Schienen, und auch der Start hätte nicht perfekter sein können. Es war mehr als unheimlich. Noch vor drei Tagen war dieser junge Mann nicht einmal in der Lage gewesen, ein Automobil zu fahren. Und jetzt beherrschte er eines der kompliziertesten und empfindlichsten Luftfahrzeuge, das Menschen jemals gebaut hatten, so perfekt, als hätte er sein Lebtag lang nichts anderes getan. Offensichtlich funktionierte die Hypnose-Schulung der Jared tatsächlich so perfekt, wie Kias behauptet hatte. Charity tauschte ihren Platz neben dem Piloten nach einem auffordernden Blick mit Skudder und ging geduckt ins hintere Abteil des Stalscopters zurück, wo Harris und drei der anderen Kadetten saßen und gebannt aus den Fenstern in die Tiefe sahen. Unter ihnen spulte sich ein wechselndes Muster aus Wald und Trümmerlandschaft ab. Manche der kleinen Städte und Dörfer, die die Moroni bei ihrem Angriff vor einem halben Jahrhundert in Schutt und Asche gelegt hatten, waren schon völlig von Gestrüpp und Bäumen überwuchert. Die Natur hatte nicht lange gebraucht, das verlorene Terrain zurückzuerobern. Der Anblick der wuchernden Landschaft tröstete Charity irgendwie. Ganz plötzlich begriff sie, wie unwichtig sie alle waren. Selbst wenn die Moroni den letzten Menschen auf diesem Planeten getötet hatten, würde das Leben doch weitergehen. Plötzlich tauchte unter dem Helikopter eine weitere, völlig zerstörte Stadt auf. Die meisten Häuser waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und im aufgebrochenen Asphalt des Straßenbelages glitzerten ölige Pfützen. Kein Grün zeigte sich zwischen den verlassenen Straßenblocks. Die Stadt mußte von einem Nuklearsprengkopf getroffen worden sein, der eine ganz besonders harte Strahlung zurückgelassen hatte. Vielleicht würde es noch einmal fünfzig Jahre dauern, bis Leben zurückkehrte. Mit einer fast übertrieben heftigen Geste wandte Charity sich vom Fenster ab und ließ sich Harris gegenüber auf eine der schmalen, ungepolsterten Sitzbänke sinken. Sie lächelte, und Harris lächelte zurück, aber er schien ihre Betroffenheit wohl zu spüren, denn sein Blick blieb ernst. Trotzdem stellte er keine Frage, sondern deutete nur mit einer Kopfbewegung zur Kanzel. »Nun?« »Perfekt«, sagte Charity. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Kias hat nicht übertrieben. Er fliegt dieses Ding, als wäre er mit einem Neurohelm auf dem Kopf geboren worden.« Harris’ Augen verengten sich. »Wieso werde ich den Eindruck nicht los, daß es Ihnen nicht gefällt?« Charity sah ihn überrascht an. »Merkt man es so deutlich?« »Ja«, antwortete Harris. »Ich spüre das schon seit einiger Zeit.« Eine Sekunde lang dachte Charity darüber nach, was sie von dieser Antwort zu halten hatte, dann zuckte sie mit den Achseln. »Vielleicht muß ich mich erst an den Gedanken gewöhnen«, erwiderte sie. Sie sah Harris ganz bewußt nicht an, sondern musterte die Gesichter der drei anderen Kadetten. Die drei – zwei junge Männer und ein Mädchen – waren jünger als sie selbst, Skudder und Harris. Kleine Metallschildchen an der Brust ihrer grüngefleckten Tarnuniformen, mit denen Stone sie aus den schier unerschöpflichen Lagerhallen der Bunkerfestung versorgt hatte, verrieten ihre Namen: Lerou, Delgard und Tribeaux. Die drei kamen aus Paris, ebenso wie ihr Pilot und zwei oder drei Dutzend anderer Freiwilliger, die Stones Helfer in den letzten beiden Tagen herangebracht hatten. Charity hatte mit jedem einzelnen gesprochen, und natürlich hatte sie auch darauf bestanden, zumindest mit einigen zu reden, bevor
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