Der Spinnenmann
Rauchgestank meine Nase füllte. Dort musste eine chemische Fabrik gelegen haben. Der Wagen schaukelte die Straße weiter, die sich nun zu zwei gefrorenen Lehmspuren in einer weiten Ebene verengte. »Jetzt fahren wir falsch«, sagte ich.
Der Fahrer lächelte mir im Rückspiegel zu. »Wollten Sie nicht nach Oskroken?«
»Doch.«
»Ja, dann müssen wir über den Atlantik.«
»Den Atlantik?«
»Ja, so wird das hier genannt. Man kann sich nicht aufrecht halten, wenn der Wind weht, wissen Sie. Genau wie auf dem Atlantischen Ozean.«
Nach einigen hundert Metern umrundeten wir einen großen Schlackehaufen mit steifgefrorenen Disteln und Strandnelken. Vor uns lagen mitten auf der windigen Ebene drei zweistöckige Häuser aus unbemaltem Holz mit Laubengängen an den Längsseiten.
»Oskroken«, sagte der Fahrer.
Wir fuhren langsam auf den Hofplatz unter den Wäscheleinen, die kreuz und quer zwischen den Gebäuden gespannt waren.
Ich bezahlte den Fahrer und blieb mitten auf dem Hofplatz stehen. Oben in einem der Laubengänge beugte sich ein dreizehn oder vierzehn Jahre altes Mädchen über das Geländer und musterte mich mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen.
»Alma! Herkommen!«
Eine Frau mit einer karierten Schürze tauchte in einer Türöffnung auf. Aus der Wohnung hinter ihr strömten Dampf und der Geruch von gekochtem Kohl. Das Mädchen verschwand im Haus und die Tür wurde so heftig zugeknallt, dass die Hauswände bebten.
Ich drehte mich um und sah einen kleinen, untersetzten Mann von Ende fünfzig. Er kam aus einem der Häuser auf der anderen Hofseite auf mich zu, trug eine grüne Strickjacke und eine speckige Hose, die einst zu einem Anzug gehört hatte.
Eine Vorstellung war nicht nötig. Er schüttelte energisch meine Hand. »Schön, dass Sie so schnell gekommen sind. Dann können wir, ehe es dunkel wird, vielleicht die Stelle finden, wo ich das Flugzeug gesehen habe. Wir können meinen Wagen nehmen.«
Er zeigte auf einen alten Chevrolet-Lastwagen, der vor der Querseite des Hauses stand. Dann fügte er etwas unlogisch hinzu: »Aber kommen Sie zuerst herein. Ich habe schon Kaffee aufgesetzt.«
Die kleine Wohnung mit Küche, Stube und Schlafalkoven bildete einen scharfen Kontrast zu der trostlosen Umgebung draußen. Hier war alles ordentlich und sauber, und es duftete nach frisch gekochtem Kaffee. Rotkarierte Vorhänge und Blumentöpfe auf der Fensterbank zeugten von Frauenhand, aber Johansen war an diesem Tag offenbar allein zu Hause. Er deutete auf den Küchentisch, der mit Tassen, Untertassen und einer Schüssel voll Plätzchen gedeckt war.
»Bitte, greifen Sie zu.«
Johansen erwies sich weder als überspannt noch als fantasievoll. Als wir erst einmal saßen, hatte er es nicht eilig mit seinem Bericht über den Geisterflieger. Als treuer Leser von Arbeiderbladet wollte er zuerst alles über den Brand in der Redaktion hören, dazu über Redakteur Tranmaels Ansichten über die laufenden Verhandlungen im Randsfjord-Konflikt und über die öffentlichen Mittel für den Arbeitersport. Ich war durchgefroren und fühlte mich wegen meines Schlafmangels unwohl, aber der Kaffee, den er servierte, war stark und hielt mich so weit wach, dass ich alle Fragen geduldig beantworten konnte. Als sich im Laufe des Gesprächs herausstellte, dass ich für Georg Svendsen arbeitete, strahlte er.
»Der ist mit dem Vaterlandskönig ja vielleicht Schlitten gefahren!« Er lächelte hämisch und schlug sich mit der Faust in die Handfläche. »Ich habe selbst in einer dieser baufälligen Mietskasernen in der Rodfyllgate gewohnt, ich weiß, dass Mr. George ihm verpasst hat, was er verdient!«
Johansen stand auf und ging zum Herd, um neuen Kaffee zu holen. Ich wollte gerade die Gelegenheit nutzen und das Gespräch auf die Geisterflieger lenken, als draußen kurz hintereinander vier scharfe Schüsse ertönten.
»Haben Sie das gehört?«, rief ich.
Johansen ging zum Küchenfenster und zeigte hinaus.
»Da wird sicher hinten auf dem Arnesen-Grundstück gesprengt. Die Grundarbeiten für das neue Haus.«
Ich schaute hinaus und sah am Rand der Ebene an die fünfhundert Meter weiter nach Nordosten ein Baugrundstück.
»Nein«, sagte ich entschieden. »Das kam nicht von dort, das waren Schüsse.«
Johansen grinste mich über seine Kaffeetasse an. »Ja, Sie als Kriminalreporter müssen das wohl wissen.«
»Vielleicht irre ich mich ja doch«, murmelte ich leicht beschämt und überrascht, weil ich so sicher gewesen war. Ich
Weitere Kostenlose Bücher