Der Spinnenmann
Blödsinn!«
Mr. Georges Blick fiel auf mich. »Merk dir das hier, Erfjord. Wenn es unseren Freunden von der Polizei so passt, lassen sie also ihre Lieblinge von der bürgerlichen Presse mitten auf den Tatort spazieren. So eine Schweinerei habe ich wirklich noch nie erlebt!«
Er zog die Oberlippe so straff, dass sein kurzer Schnurrbart sich wie eine Schuhbürste sträubte. »Das ist nicht nur ein grober Verstoß gegen alle Vereinbarungen zur Gleichbehandlung der Presse, sondern widerspricht auch grundlegenden Ermittlungsmethoden.«
Riisnaes nutzte die Gelegenheit dazu, das Gespräch abzubrechen. Er machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte zu einem Polizisten hinüber, der mit einem angeleinten Schäferhund näherkam.
Inzwischen hatte sich unsere Gruppe um weitere Schaulustige vergrößert. Es waren zumeist frisch eingetroffene Droschkenfahrer, dazu heruntergekommene Existenzen aus der Gegend, überraschenderweise waren aber auch andere in dieser eiskalten Winternacht unterwegs gewesen. Zwei ältere Damen im Pelz hatten sich auf Fridtjof Knutsen von Tidens Tegn gestürzt.
»Raubmord! War das wirklich Raubmord?«, riefen sie immer wieder entzückt.
Ein Stück weiter weg, in Richtung Skippergate, lehnte ein gut angezogener Herr mit Melone und schwarzem Mantel an einer Hausfassade und sah sich das Ganze mit einer Zigarette im Mundwinkel an.
Der Polizeifotograf war auf die Motorhaube geklettert, während zwei Polizisten das Verdeck herunterhoben. Die Umstehenden reckten den Hals. Auf dem Beifahrersitz konnte ich ein großes Bündel sehen, das in eine karierte Decke gehüllt war. Ein Polizist schlug die Decke vorsichtig zur Seite. Alle schnappten nach Luft, als eine dunkle Gestalt zu sehen war. Der Mann war offenbar leblos, sein rechter Arm ragte steif vom Körper ab und sein Kopf hing nach hinten links. Selbst hinter der Absperrung konnten wir sehen, dass die Nackenhaare von geronnenem Blut durchtränkt waren.
»Erschossen?«, flüsterte ich.
»Vermutlich«, brummte Mr. George. »Aber wer zum Henker kann …«
Ein Fotograf ließ eine Magnesiumbombe die Dunkelheit zerreißen, und ich konnte einen Blick auf das verdreckte Nummernschild werfen. »Die Autonummer ist A 3133.«
»Aha.« Mr. George schrieb die Nummer in seinen Notizblock, riss die Seite heraus und gab sie mir. »Da die Polizei nicht vorhat, uns behilflich zu sein, müssen wir uns die nötigen Auskünfte selbst verschaffen. Du musst Vang in der Verkehrsabteilung wecken.«
»Das wird nicht nötig sein«, sagte ich.
Ich hatte soeben etwas anderes bemerkt: Vorn auf der Motorhaube war eine dicke Platte aus Pappe angebracht.
»Ich habe dieses Auto vor ein paar Tagen oben auf Willhelmshoi gesehen. Es gehört Großhändler Rustad - dem Schrotthändler.«
»Großartig, Erik.« Mr. George zog seine Uhr aus der Westentasche. »Dann haben wir einen Vorsprung. Er wohnt irgendwo draußen in Baerum, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Versuch, seine Familie und die Nachbarn zu interviewen.«
Hinter der Sperre tauchten immer neue Polizisten auf. An die fünfzehn, zwanzig von ihnen untersuchten jetzt die Umgebung des Autos. Als ich zu einer der Taxen lief, die in der Kirkegate standen, hörte ich, wie Riisnaes allen befahl, sich zurückzuziehen, um dem Polizeihund Platz zu machen. Zugleich schlug die Uhr im Postamt eins.
Der Einbruch in die Villa Borgheim
Ich ließ die Droschke an der Ecke des Westbahnhofs halten und lief zur Telefonzelle. Dem Telefonbuch nach wohnten Großhändler Edvard Rustad und Frau in der Villa Borgheim, Jenshaugvei 9 in Hovik.
Eine Viertelstunde darauf, gleich hinter Ramstadsletta, bogen wir vom Drammensvei ab und durchfuhren schmale, fast vollständig dunkle Wohnstraßen. Beim Jenshaugvei bezahlte ich den Fahrer und ging das letzte schmale Wegstück zu Fuß.
Nummer 9 war ein großes, gelb angestrichenes Holzhaus, das zwischen hohen Tannen zurückgezogen auf einer kleinen Felskuppe lag. Borgheim. Hinter dem Haus schlossen die Bäume sich zu engem dichten Wald zusammen. Auf der Türschwelle, erleuchtet von der Lampe über der Haustür, stand eine Gruppe von Menschen. Zwei davon waren Wachtmeister aus Asker und Basrum, die die Todesbotschaft zu überbringen hatten.
Sie stützten eine beleibte ältere Dame, bei der es sich um Frau Rustad handeln musste. Sie jammerte laut und sank immer mehr in sich zusammen, sodass es den Männern arge Probleme machte, sie auf den Beinen zu halten. Eine etwas jüngere Frau, die sich einen
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