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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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fing Elvestad an, fieberhaft in seinen Manteltaschen zu wühlen.
    Eines zwinkerte mir lustig zu. »Auf diesen Augenblick freue ich mich immer, wenn ich mit Sven Elvestad im Einsatz bin. Der größte Journalist in Norwegens Geschichte, aber noch nie hat er einen Notizblock besessen …«
    Elvestad grunzte und setzte seine Suche fort.
    »Er besteht darauf, Berühmtheiten im Grand zu interviewen, weil er dort auf die Servietten schreiben kann. Wenn es im Restaurant zwischendurch keine mehr gibt, muss er sich etwas aus den Fingern saugen, wenn er wieder in der Redaktion ist. Das sind dann übrigens immer die besten Interviews. Einmal hat er einen ganzen Riverton-Roman auf die Speisekarte geschrieben. Der Verlag hätte ihn fast unter dem Titel >Mord in Mayonnaise< herausgebracht.«
    Elvestad gab auf.
    »Gib mir ein paar Zettel, Albin«, bat er. »Aber hattest du nicht eben erst einen brauchbaren Zettel gefunden?«
    »Den hab ich verloren! Meine Notizen sind spurlos verschwunden! Bestimmt hab ich ihn in Rustads Büro vergessen.«
    Eines riss zwei Blätter aus seinem Block und reichte sie Elvestad, der zu Frau Jensen ging, um sich Informationen aus erster Hand zu holen. Ich erhob mich ebenfalls. Ich musste zur Stelle sein, wenn das Tor zu Rustads Grundstück geöffnet wurde.
    »Ich muss los. Grüßen Sie Elvestad von mir und sagen Sie ihm, dass es ein Erlebnis war, ihn kennenzulernen.«
    Ich betrat den Bürgersteig in dem Moment, in dem ein Bus in der Uelands gate hielt. Ein eleganter Herr stieg aus und faltete einen großen Stadtplan auseinander. Ich blieb stehen und sah ihn an. Der Mann war mittelgroß und kräftig, mit breitem Mund und Boxernase. Das einzige, was ihn vor der Schublade »nicht gerade hübsch« rettete, waren seine Augen, sie waren dunkel und tief und hatten Wimpern, um die jede Frau ihn beneidet hätte. Die Kleider wiesen auf Klasse hin, mit seinem Bowlerhut, dem gestreiften dunkelgrauen Anzug und dem schwarzen Mantel erinnerte er an einen Adligen.
    Ich wollte ihm gerade meine Hilfe anbieten, um einige Worte mit ihm wechseln zu können, da faltete der Mann den Stadtplan zusammen und ging mit raschen Schritten durch die Straße weiter. Ich wollte ihm schon folgen, aber in diesem Moment wurde das Tor zum Lager von einem großen sehnigen Mann in Blaumann und Stiefeln geöffnet.
    Er entpuppte sich als Harald Henriksrud, Rustads Vorarbeiter. Er hatte offenbar die Nase voll von neugierigen Reportern, ließ sich aber am Ende doch überreden, mich auf dem Grundstück herumzuführen.
    Seltsamerweise stimmte es mich traurig, die Welt zu betrachten, die den Rahmen für den Rustadmord gebildet hatte, eine Welt aus rostigen Eisenhaufen, Bretterstapeln, Schlammpfützen und tiefen Räderspuren. Ein albernes Gefühl, natürlich. Als Kind waren Abbruchhäuser, Baulücken und düstere Hinterhöfe für mich die spannendsten Spielplätze gewesen, die ich mir hatte vorstellen können. Sie boten die Möglichkeit zu immer neuen Expeditionen und Abenteuern.
    Ich musste zu all meinen Überredungskünsten greifen, ehe Henriksrud sich bereit erklärte, mir das Büro des Großhändlers zu zeigen. Es gab nicht viel zu sehen, ein Schuppen mit einem abgenutzten Sofa und einem kleinen Schreibtisch. An der Wand waren ein Telefon und Eisenhaken für Papiere befestigt. Rustad hatte seine Buchhaltung in der Brieftasche gehabt, erzählte Henriksrud, und dort hatte er auch die ganze Kasse aufbewahrt.
    Danach gingen wir Rustads Bewegungen am Mordtag durch, während wir draußen im Schlamm standen, zwischen Stapeln aus Türen, Fenstern und Materialien aus abgerissenen Häusern. Ich warf zufällig einen Blick durch das offene Tor. Auf der anderen Seite der Uelands gate stand der Mann mit der Boxernase - ganz und gar bewegungslos, als wolle er mich auf seine Anwesenheit aufmerksam machen.
    Henriksrud frage, ob ich mit den anderen Angestellten sprechen wollte.
    »Nein, danke«, sagte ich eilig. »Auf Wiedersehen.« Als ich aus dem Tor kam, war kein Mensch zu sehen. Der Mann war verschwunden wie durch Zauberhand.
     
    One-way Ride
     
    Ich rief Mr. George aus dem Telefonhäuschen auf dem Alexander Kiellandsplass an. Wir verabredeten uns im Justisen, um die Informationen zu vergleichen, die wir, jeder für sich, zusammengebracht hatten.
    Seine Wahl des Treffpunktes überraschte mich nicht. Wegen seiner Lage zwischen dem Justizministerium und der Hauptwache in der Mollergate 19 war das Restaurant an der Ecke Grubbegate und Ploens gate seit Jahren

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