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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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Mordreportage. Ich spielte mit dem Gedanken, zum Atlantik zurückzufahren, den Tatort zu suchen und mit Personen zu sprechen, die sich möglicherweise in der Nähe aufgehalten hatten. Aber die Gefahr, dass ich nur Ödland finden würde, war zu groß. Ich beschloss, erst Mr. Georges Meinung einzuholen.
    In diesem Moment kam ein Junge in das Cafe gestürzt. Aus dem Gespräch mit Frau Jensen entnahm ich, dass er die Kaffeeflasche für die Lackiererwerkstatt im Maridalsvei holen sollte. Der Junge war spät dran. Als er aus der Tür jagte, wäre er fast mit einem hereinkommenden Gast zusammengestoßen. Ich erkannte den kleinen, beleibten Herrn mit der runden Brille und der wilden Mähne sofort. Es war Albin Eines.
    Ich hatte diesen Mann noch nie leiden können. Sechs Jahre zuvor hatte Eines seine Stellung als Redakteur von Norges Kommunistblad gekündigt, um eine Stellung bei der faschistoiden Zeitschrift Tidens Tegn anzutreten und bei Fedrelandslaget Karriere zu machen. Um solche Leute sollte man natürlich einen großen Bogen machen, aber Eines war trotz allem eine Art Kollege, und einen Kollegen ignoriert man nicht, wenn er höflich grüßt.
    »Können wir uns hierhin setzen?«
    Ich nickte stumm, vermutlich aus Schock darüber, dass das Ego dieses Wichts so gewachsen war, dass er von sich im Pluralis Majestatis sprach. Irgendwann konnte ich mich dann zusammenreißen. »Willst du dir auch Rustads Grundstück ansehen?«, fragte ich.
    »Da waren wir schon.«
    »Aber da ist doch noch gar nicht geöffnet?«
    Eines grinste: »Richtig«, sagte er. »Und was macht ein tüchtiger Journalist in einer solchen Lage? Na, er ruft Rustads Vorarbeiter an und bittet höflich um Einlass. Wenn das nichts hilft, bietet er eine kleine Entschädigung für die Mühe an.«
    Und nun ließ eine gewaltige Stimme das Lokal erbeben. »Meine Kehle ist so trocken wie die eines Wüstenbeduinen, sage ich. JETZT BRAUCH ICH VERDAMMTE PEST EINEN COGNAC MIT SODA!«
    Ich fuhr zur Tür herum, die Eines hatte offen stehen lassen. Dort fand ich die Erklärung dafür, dass er die ganze Zeit »wir« gesagt hatte. Die Türöffnung wurde gefüllt von einem ungewohnlich großen, dicken Mann in einem weiten, unförmigen Wintermantel. Er sah absolut lebensgefährlich aus mit seinem feuerroten Gesicht und der blauschwarzen Nase von annähernder Tapirgröße. Seine Augen hinter den dicken Brillengläsern waren riesig, aber dennoch musste er lange die Augen zusammenkneifen, ehe er uns entdeckt hatte. Er watschelte auf außergewöhnlich langen Beinen durch das Lokal und warf seinen Hut auf den Tisch.
    »Ich brauche einen Cognac, sonst krepiere ich, Albin. Das ist kein Witz.«
    »Das muss warten, Sven. Hier wird kein Alkohol verkauft.«
    Ich hatte es geahnt, sowie ich ihn gesehen hatte. Ich hatte diesen Mann bewundert, so weit ich mich zurück erinnern konnte. Als Junge hatte ich die Kriminalromane verschlungen, die er unter dem Pseudonym Stein Riverton geschrieben hatte, und als ich bei Arbeiderbladet angefangen hatte, ging mir sehr rasch auf, dass er auch in dieser Branche der ungekrönte König war: Der Starjournalist Sven Elvestad. Endlich hatte ich die Gelegenheit, diese lebende Legende kennenzulernen.
    Elvestad setzte sich den breitkrempigen Hut wieder auf den Kopf.
    »Dann müssen wir uns ein richtiges Restaurant suchen.«
    »Setz dich einen Moment, Sven«, sagte Eines. »Du möchtest doch sicher unseren jungen Kollegen begrüßen.«
    Ob »jung« oder »Kollege« den Ausschlag gab, soll unerwähnt bleiben, aber Elvestad nahm ohne Widerspruch Platz. Er reichte mir die Hand und stellte sich vor.
    »Erik Erfjord, Kriminalreporter von Arbeiderbladet.«
    Elvestad zwinkerte Eines vielsagend zu.
    »Da haben wir wohl Mr. Georges Geheimnis entlarvt, Albin. Der Grund, aus dem er immer allen anderen Kriminaljournalisten um Haupteslänge voran liegt, ist, dass dieser junge Herr seine Artikel schreibt, während George die ganze Woche damit verbringt, Oslos Unterwelt zu infiltrieren.«
    Ich lächelte. »Ganz so läuft unsere Zusammenarbeit nicht. Svendsen gibt mir die Fälle, zu denen seine eigene Zeit nicht reicht.«
    »Und jetzt hat Mr. George dich im Zusammenhang mit dem Fall Rustad hergeschickt?« Elvestad sah mich abwartend an.
    Ich nickte. »Ich habe mit der Kellnerin hier gesprochen. Sie hat erzählt, dass Rustad gestern so gegen eins hier war. Und da schien er endlos viel Zeit zu haben.«
    Die beiden Reporter von Tidens Tegn wechselten einen vielsagenden Blick. Dann

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