Der Spinnenmann
hatte. Er trug einen leuchtenden dunkelroten Schlafrock und stützte den Ellbogen auf einen von Schminke, Cremetöpfen und Puderquasten bedeckten Tisch. In der Hand hielt er ein Glas Rotwein, das er diskret auf den Tisch setzte, als er mich entdeckte.
»Was zum Teufel, Erik, wie siehst du denn aus!«
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich beugte mich über ihn, um einen Blick in den Spiegel zu werfen. Unter dem Pflaster war mein Nasenrücken geschwollen und verfärbt an der Stelle, wo Bays Faust ihn getroffen hatte. Ich sah aus, als ob ich gerade nach einem gediegenen Knock-out zu mir gekommen wäre.
»Nicht der Rede wert«, sagte ich. »Sprechen wir lieber über dich. Ich will alles wissen über Hans von Manteuffel und über den Teufelskram, den ihr zwei mit der Bay-Bande am Laufen habt.«
Lennart starrte mich mit offenem Mund an. Nach einer Weile wich dieser Ausdruck einem höhnischen Grinsen.
»Manteuffel ist Filmregisseur, das habe ich dir doch schon gesagt. Ich helfe ihm bei den Vorbereitungen zu Dreharbeiten in Oslo - aber auch das weißt du. Wir haben durchaus nicht vor, irgendeine Bay-Bande als Statisten zu engagieren. Was sind das eigentlich für finstere Typen?«
Ich beugte mich weiter vor. »Birger Bay war einer der bekanntesten Schmuggler hierzulande. Nachdem das Alkoholverbot aufgehoben worden war, hat er versucht, sich durch andere Verbrechen zu ernähren: Versicherungsschwindel, Erpressung und Ähnliches. Aber jetzt hat er die alte Schmugglerroute wieder eröffnet …«
Lennart musterte mich aus dem Augenwinkel. Ich konnte sehen, dass er auf die Gelegenheit wartete, das alles als Witz abzutun.
»Und was schmuggelt er denn jetzt?«
»Ich würde wetten, Kokain.«
Lennart wollte sich ausschütten vor Lachen.
»Du hattest immer schon eine lebhafte Fantasie, Erik.«
»Diesmal nicht. Und du kannst aufhören, dein Weinglas zu verstecken. Ich habe es schon längst gesehen.«
Er zuckte zusammen. Aber schon Sekunden darauf war die überlegene Miene wieder da.
»Wenn du darüber reden willst, dass ich ab und zu ein wenig Kokain schnupfe, dann brauchst du nicht um den heißen Brei herumzureden, Erik. Wir kennen uns lange genug, um alles offen sagen zu können. Findest du nicht?«
Das kam überraschend für mich. Und ehe ich antworten konnte, hatte er schon sein Glas gepackt.
»Prost!«, sagte er und leerte es auf einen Zug.
Ich sah ihn lange an. Seine Hand war nicht ganz sicher gewesen, als er mir zugetrunken hatte, und jetzt hatte er den Kopf gesenkt, als graue ihm davor, was ich als Nächstes sagen würde. Plötzlich wurde ich von Mitleid überwältigt. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Na gut«, sagte ich, so ruhig ich konnte. »Ich werde ganz offen sein. Ich glaube, dein Kokainkonsum macht dich kaputt. Sicher ist er der Grund dafür, dass deine Filmkarriere in Deutschland ein plötzliches Ende genommen hat, und jetzt höre ich, dass sie auch hier im Chat Noir Probleme mit dir haben. Du kümmerst dich nicht mehr richtig um deine Arbeit. Und du lässt dich von gefährlichen Leuten ausnutzen wie diesem Manteuffel, wer immer das sein mag.«
Lennart spielte nervös mit der Kette um sein Handgelenk.
»Wie kommst du denn bloß auf diese Ideen?«, fragte er versuchsweise.
Ich packte seine Schulter fester. »Vielleicht wäre es an der Zeit, dass auch du einen Blick in den Spiegel wirfst. Tu das. Dreh dich um und sieh dich an.«
Widerwillig folgt er dieser Aufforderung. Ich sah, wie er sich wand beim Anblick des mageren bleichen Gesichts mit den dunklen Augenhöhlen.
»Alle können sehen, dass du Probleme hast, Lennart. Man braucht mehr als Schminke und schaupielerisches Talent, um das zu kaschieren. Außerdem ist mir ganz offen gesagt worden, dass du in argen Schwierigkeiten steckst.«
»Und wer hat das gesagt?«
»Jacob Bondi.«
Gespannt wartete ich auf seine Reaktion. Ein kleines Zucken des Mundwinkels war alles. »Nie von dem Kerl gehört.«
»Das kannst du mir nicht einreden, Lennart.«
Er riss sich los und kehrte dem Spiegel wieder den Rücken zu. Wortlos fing er an, sein Glas erneut zu füllen.
»Jacob Bondi, Lennart. Ich gehe erst, wenn du mir gesagt hast, wer das ist.«
Lennart zog eine Tüte mit weißem Pulver hervor und kippte es in seinen Wein.
»Na los, Lennart.«
Er verrührte das Kokain mit einem Teelöffel und prostete mir lächelnd zu. Ich packte sein Handgelenk. »Was zum Teufel machst du da!«
Er lächelte mir weiter zu. »Loslassen. Erik, dann erzähle
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