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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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auf einen Artikel über den Schneefall des Vortages. Der hatte zu mindestens tausend Fehlschaltungen im Osloer Telefonsystem geführt. 193 Männer waren eingesetzt worden, um die Straßen vom Schnee zu befreien, was in harte Schufterei umschlug, als es dann später am Tag milder geworden war.
    Meine Aufgabe an diesem Abend bestand wie üblich darin, ausländische Nachrichtentelegramme zu übersetzen. Plötzlich merkte ich, wie erschöpft ich war. Mir fielen die Augen zu und immer wieder musste ich einen Satz mehrmals lesen.
    Über den Schreibtisch gebeugt versank ich im grauen Raum zwischen Schlafen und Wachen. Ich hatte keinen Halt mehr unter den Füßen und baumelte an einem Arm an der brüchigen Eisenleiter des Fabrikschlotes. Verzweifelt streckte ich die Hand zu Lennart aus, der grinsend auf mich herabblickte. Gleich darauflag ich auf dem lehmigen Boden von Myralokka, während drei Jungen aus Torshov mit den Fäusten auf mich einhämmerten. Aus dem Augenwinkel sah ich Lennart, der das alles mit verschränkten Armen beobachtete.
    Im Vorzimmer des Redakteurs klingelte ein Telefon. Ich war zu schläfrig, um zu reagieren. Als der Lärm sich endlich legte, war ich sofort wieder weit weg.
    Es schien nur Sekunden später zu sein, als das Telefon auf meinem Schreibtisch ertönte. Ich riss den Hörer von der Gabel. »Was’n los?«
    Es kam keine Antwort, und ich versuchte es mit einer förmlicheren Variante: »Arbeiderbladets Redaktion, bitte sehr.«
    Eine aufgeregte Frauenstimme rief am anderen Ende: »Wisst ihr überhaupt, dass es brennt?«
    »Wo brennt es?«
    »In der Dronningens gate.«
    »Verstanden«, sagte ich. »Wir kommen sofort.«
    Als ich zu Holt hinüberstürzte, ging mir auf, dass es spät sein musste. Er lag in tiefem Schlaf über seinem Schreibtisch, vor ihm stand eine leere Schnapsflasche. Ich schaute auf meine Armbanduhr. Viertel nach zwei. Ich machte einen halbherzigen Versuch, den sturzbetrunkenen Mann zu wecken, dann schnappte ich mir die Telefonliste. Ich hatte Glück. Fotograf Sorensen war wach und angezogen und versprach, umgehend eine Droschke in die Dronningens gate zu bestellen. Ich lief los.
    Draußen auf der Straße nahm ich sofort die Katastrophenstimmung wahr. Kein Mensch war zu sehen, obwohl es Samstagabend war. Es war nicht schwer zu erraten, wo alle steckten. Die Leute in Oslo, die noch keinen Schlaf gefunden hatten, waren von der riesigen grauen Rauchwolke angezogen worden, die über dem Zentrum aufstieg. Der Brand beleuchtete den Nachthimmel und man hätte meinen können, der Morgen ziehe bereits herauf.
    Als ich in der Dronningens gate angekommen war, sah ich, dass der oberste Stock von Fredriksens Geschäftshaus in Flammen stand. Hoch oben auf den Leitern standen Feuerwehrleute und spritzten Wasser auf das brennende Dach, während zwei oder drei Polizisten die Evakuierung der Nachbarhäuser leiteten. Menschen, die aus dem Schlaf gerissen worden waren, drängten sich unten auf der Straße und froren in ihrer Nachtkleidung. Ein lahmes Mädchen wurde aus dem Haus getragen und war gleich darauf umringt von weinenden und dankbaren Verwandten.
    Plötzlich krampfte sich mein Magen zusammen.
    Für einen Moment sah ich vor mir die junge dunkeläugige Frau, die am Tag zuvor Fredriksens Wohnungstür geöffnet hatte. Ich hatte sie vollständig vergessen. Hatte sie sich noch in der Wohnung aufgehalten, als das Feuer ausgebrochen war? Und was war mit dem Mädchen?
    Ich schaute zur Wohnung hoch. Das Feuer hatte jetzt alle Räume erfasst. Immer wieder knallte es, weil Teile des Dachs einbrachen. Ein Feuerwerk aus Funken wirbelte hoch und wurde vom Wind mitgerissen. Dachziegel rutschten durch die nächtliche Dunkelheit und zerbrachen auf dem Bürgersteig.
    Aber in Fredriksens Wohnung gab es keine Anzeichen von Leben.
    Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge. Das war nicht leicht, die Leute versperrten mir den Weg und wollten ihre Logenplätze am Rand der Katastrophe nicht hergeben. Alle redeten wild durcheinander, über die Ursache des Brandes, über die Löscharbeiten und über die Frage, ob Menschenleben verloren gegangen seien. Dann entdeckte ich Bürochef Brodin und Kriminalrat Riisnaes. Mit großer Mühe konnte ich ihnen nahe genug kommen, um zu hören, was sie sagten.
    »Natürlich ist Versicherungsschwindel eine häufige Ursache für Brandstiftung«, dozierte Riisnaes wie auf einem Polizeikongress. »Aber durchaus nicht die einzige. Untersuchungen zeigen, dass im Nachkriegsdeutschland etliche

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