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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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Pyromanen ihr Unwesen getrieben haben, einzelne haben mehr als siebzig Brände gelegt…«
    »Ich glaube, deine Beispiele aus Deutschland kannst du in diesem Fall mit gutem Gewissen vergessen«, wandte Brodin ein. »Dieser Brand ist von Birger Bay gelegt worden. Ich weiß, er hat vorher alle Wertgegenstände aus dem Haus entfernen lassen. Wenn meine Quellen recht haben, hat die Bande ihre Aktivitäten in ein neues Hauptquartier verlegt.«
    »Aber das Haus ist nicht leer!«, rief ich.
    Brodin hatte mich nicht gehört. Er richtete seinen mahnenden Zeigefinger auf Riisnaes. »Deshalb ist es wichtig, dass Bruff an dieser Brandstätte gründliche Arbeit leistet. Wenn er keine Spuren findet von Petroleum, Leinöl oder was immer Bay benutzt hat, muss er sich alles eben noch mal ansehen, denn dieser Brand ist gelegt worden. Das steht verdammt noch mal fest.«
    »Und der Mord an Fredriksen?«, fragte Riisnaes.
    »Liegt daran, dass er Bay dieses Haus vermacht hat. Ich kann mitteilen, dass es für 300 000 Kronen versichert ist. Du kannst davon ausgehen, dass ich auf diesen Brand schon gewartet habe.«
    Ich reckte den Hals und rief so laut ich konnte: »Hallo, Riisnaes! Ich habe wichtige Auskünfte!«
    Diesmal hörten mich die beiden Streithähne. Riisnaes befahl der Menge, mich durchzulassen. Ich vergeudete keine Zeit. »In Fredriksens Wohnung wohnt jemand. Ich war gestern dort.«
    Riisnaes und Brodin sahen mich an wie einen Verrückten. Ich ging zu ihnen und legte ihnen die Hände auf die Schultern, während ich einem nach dem anderen ernst ins Gesicht blickte. »Ich bin nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube, es sind ziemlich viele. Sie können da oben im Flammenmeer umgekommen sein. Wirklich alle.«
    Wir schauten unwillkürllich alle drei zu der Wohnung hoch. In diesem Moment zersprang ein Fenster und die Scherben klirrten über die Fassade, gefolgt von einem Funkenregen, der in die Dunkelheit hinausstob. Gleich darauf wurde der Wind durch das zerbrochene Fenster gesaugt und ließ die Flammen drinnen mit aller Kraft hochlodern. Die Decke in der Wohnung war vernebelt von dunkelgrauem wogenden Rauch.
    Brodin brach die Stille. Er wandte sich an Riisnaes: »Aber nach dem Mord an Fredriksen hat die Polizei doch sicher alles durchsucht?«
    Riisnaes starrte noch immer zu der brennenden Wohnung hoch. »Die war abgeschlossen«, sagte er mit gepresster Stimme.
    Ich konnte sehen, dass er vor Zorn bebte.
    Dann schaute er mich an und rief hysterisch: »Die Wohnung war verschlossen, und wir konnten bei Fredriksen keinen Schlüssel finden. Da wir nicht wussten, dass sie bewohnt war, bestand kein Grund, die Tür aufzubrechen.« Er packte vor Wut bebend meinen Arm. »Ich sollte Sie hier und jetzt festnehmen!«
    »Und warum?«
    »Weil Sie wichtige Informationen zurückgehalten haben. Sie können mitschuldig daran sein, dass Menschenleben verloren gegangen sind, Herr Erfjord.«
    Mehrere Schaulustige hatten die Szene beobachtet. Ich merkte zu meinem Entsetzen, dass ich mich zu einer größeren Attraktion entwickelte als der Brand an sich. Egal, wohin ich schaute, überall sah ich misstrauische Blicke.
    »Ganz ruhig jetzt, Riisnaes«, sagte Brodin. »Wenn in der Wohnung da oben Menschen waren, dann hätten sie versucht, sich zu retten. Und wir hätten sie gesehen!«
    »Ach was. Es hat eine halbe Minute gedauert, bis die ganze Wohnung brannte. Wenn dort Menschen waren, haben sie es einfach nicht geschafft, herauszukommen.«
    »Sie können mich jetzt aber nicht festnehmen, Herr Riisnaes«, sagte ich. »Ich bin hier, um über die Brandkatastrophe zu berichten.«
    »Na gut, na gut…« Riisnaes winkte mich irritiert fort.
    »Natürlich sollen Sie Ihre Arbeit tun. Aber bei der ersten Gelegenheit kommen Sie in mein Büro. Ist das klar?«
    Ich hatte fürs Erste genug Aufmerksamkeit erregt. Ich schlich durch die Menschenmenge und suchte mir ganz hinten einen Platz. Nach kurzer Zeit kam Fotograf Sorensen zu mir. Er wirkte wie hypnotisiert von dem brennenden Gebäude.
    »Ich habe mehr als genug dramatische Bilder«, sagte er, ohne die Augen von dem Flammenmeer zu lösen. »Da kann ich mich auch gleich ans Entwickeln machen.«
    »Na gut«, sagte ich.
    »Wir sehen uns in der Redaktion.«
    Er verschwand in der Menge.
    Aber die ganze Nacht sollte verstreichen, ohne dass ich in die Redaktion gehen konnte. Ich brachte es nicht über mich, die Brandstätte zu verlassen, solange ich nicht wusste, was aus den Menschen in Fredriksens Wohnung geworden war.

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