Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
Vom Netzwerk:
Und jetzt hast du dir alles ruiniert, indem du mir bei der Flucht geholfen hast. Warum, Tore?«
    Er schüttelte lange und ausgiebig den Kopf. Dann schaute er mich aus zwei verängstigten Augen an. »Weil alles sich geändert hat. Wir sind in etwas hineingerutscht, das viel zu groß für uns ist. Alle haben Todesangst.«
    »Auch Bay?«
    »Ja, auch Bay. Ich hab ihn noch nie so gesehen wie dir gegenüber. Ich hätte schwören können, dass Bay kein Mörder ist, aber jetzt würde er über Leichen gehen, um seine Haut zu retten. Ich habe dir das Leben gerettet, Erfjord. Und zugleich dafür gesorgt, dass mein eigenes keinen sauren Hering mehr wert ist. Ich komme mir vor wie zum Tode verurteilt.«
    »Aber das ist doch ein besseres Gefühl, als an einem Mord mitschuldig zu sein?«
    Er nickte.
    »Was hast du jetzt vor?«
    Er riss sich los. »Ich habe vor, zu verduften. Wenn es sein muss, für immer.«
    Er verschwand in der Nacht. Und ich hatte ihn zum letzten Mal gesehen.
    Sein Abschiedsgruß sollte sich als prophetisch erweisen, wenn auch auf ganz andere Weise, als Tore Schröder sich das vorgestellt hatte.
     
    Die Organisation
     
    Im Krankenhaus wurde eine ausgerenkte Schulter festgestellt. Zuerst war ich erleichtert, weil es nicht schlimmer war, aber da wusste ich noch nicht, wie die Behandlung aussehen würde. Der Arzt sagte, ich solle ganz locker bleiben, packte den Stuhlsitz und renkte mir die Schulter wieder ein. Mein Geschrei hallte an den Wänden wider. Danach flickte er die hässliche Wunde über der Nasenwurzel zusammen.
    Vom Empfang im Erdgeschoss aus bestellte ich mir eine Droschke. Wir fuhren durch ein Oslo, das sich von seiner schlimmsten Seite zeigte. Der weiße Schnee, der die Straßen bedeckt hatte, war hohem Matsch gewichen, die Häuser standen da wie todtraurige Kästen und die Fußgänger waren im Nebel kaum zu sehen. Der Himmel lag wie eine schwere Bedrohung über der Stadt.
    Als wir die Nedre gate erreicht hatten, bezahlte ich und lief ins Haus. Erst in der Wohnung konnte ich mich entspannen. Ich fühlte mich geborgen, als ich auf die Chaiselongue sank wie nach einem ganz normalen Arbeitstag.
    Nach einer Weile fiel mir auf, dass es im Zimmer ungewöhnlich kühl war. Zugleich nahm ich einen leichten Tabakgeruch wahr.
    Ich setzte mich auf und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen auf der Suche nach etwas, das nicht hierher gehörte.
    Die schweren Samtportieren vor dem Fenster waren geschlossen. Darunter lugten zwei elegante Schuhspitzen hervor.
    Würde ich die Wohnung unbemerkt verlassen können? Lautlos richtete ich mich auf.
    »Wollen Sie schon wieder fort, Herr Erfjord? Ich hatte auf einen kleinen Plausch gehofft.«
    Das war langsam gesagt worden, mit leichtem deutschen, möglicherweise südosteuropäischem Akzent.
    »Was wollen Sie hier?«, frage ich nervös.
    Die Vorhänge wurden zur Seite geschoben. Es war der Mann mit der Boxernase. Er stand am offenen Fenster und rauchte eine Zigarette. Er sah nicht aus, als ob er üble Absichten hegte. Stattdessen wirkte er ziemlich unschuldig mit seinen langen Wimpern und den dunklen Locken.
    Der Mann lächelte. »Wie gesagt. Ich möchte ein paar Worte mit Ihnen wechseln.«
    »Sie können mit mir Deutsch sprechen - meine Mutter ist aus der Schweiz«, fiel ich ihm auf Deutsch ins Wort.
    »Vielen Dank, junger Mann, aber in Henrik Wergelands schönem Heimatland ziehe ich dessen Sprache vor.«
    Der Mann schnippte die Zigarette aus dem Fenster und schloss es.
    »Mein Name ist Jacob Bondi.«
    Ich fuhr zusammen, als er die Hand in sein Jackett schob. Bondi lächelte und schüttelte den Kopf. Dann zog er ein Zigarettenetui hervor und öffnete es.
    »Was rauchen Sie am liebsten, Herr Erfjord? Marmara links, Speed rechts. Ich kaufe immer Zigaretten von Glotts Tabakfabrik, wenn ich hier in Norwegen bin.«
    »Nein danke, ich rauche nicht.«
    »Stört es Sie dann, wenn ich …?«
    »Bitte sehr.«
    Er suchte sich im Etui eine Zigarette auf der Virginiaseite aus. Dann zeigte er auf mein blutiges Hemd.
    »Sie scheinen einen anstrengenden Tag hinter sich zu haben. Vielleicht sollten Sie sich setzen?«
    Eine gute Idee. Ich merkte plötzlich, dass der Schmerz in meinem Hinterkopf sich verschlimmert hatte, seit die Schulter wieder eingerenkt war. Ich ließ mich wieder auf die Chaiselongue sinken, während Bondi sich auf die andere Seite des Couchtischs setzte.
    »Der Grund, aus dem ich mit Ihnen sprechen möchte, Herr Erfjord, ist, dass Sie mehrmals mein Interesse geweckt

Weitere Kostenlose Bücher