Der Spinnenmann
beruhigt Sie vielleicht zu hören, dass ich eine Szene in den >Schneeschuh-Banditen< gespielt habe. Als Krankenschwester. Außerdem hatte ich eine recht große Rolle in >Die Straße< …«
»Als Ärztin?«
»Nein, als Freudenmädchen.«
Ich warf die Bettdecke mit einer raschen Bewegung zur Seite. »Steigen Sie ein, Fräulein Lorenz. Nach meinen Begriffen sind Sie ungewöhnlich gut qualifiziert.«
Sobald sie im Bett war, versuchte ich, sie aus der eng sitzenden Hülle zu befreien. Nachdem ich eine ganze Weile daran herumgefummelt hatte, fing Kiss an zu kichern.
»Was ist denn so lustig?«, fragte ich gereizt.
Sie kämpfte tapfer gegen ihr Lachen an.
»Als deine persönliche Krankenschwester - und als Freudenmädchen - würde ich doch einen direkteren Vorstoß empfehlen …«
Sie hob ihren Hintern von der Matratze und zog sich das Korselett über die Taille. Sie trug kein Höschen darunter.
Wie hypnotisiert starrte ich auf die glänzenden Schamlippen. Schließlich sagte sie mit träger Stimme: »Nicht, dass ich was gegen das Angucken hätte. Aber sie taugen zu viel mehr, als bloß angeglotzt zu werden.«
Ich verlor keine Zeit, ihrer Aufforderung Folge zu leisten.
Hinterher lag ich verschwitzt und glücklich da und hielt Kiss in meinen Armen. Draußen vor dem Fenster schickte sich mein letzter Ferientag an, einen perfekten Abschluss mit strahlender Sonne, klarer Luft und feuchtem Gras zu bilden. Ich stand vor einem gar nicht mal so kleinen Dilemma. Ich hatte nichts dagegen, den Tag im Bett zu verbringen. Andererseits gab es mehr als nur mein Liebesleben, das zum Abschluss der Ferien einer Anregung bedurfte. Mein Körper fühlte sich wie ein überholter Motor an, Arme und Beine sehnten sich nach Gebirgswänden und Felsvorsprüngen.
»Wie war’s mit einem kleinen Frühstück?«, schlug ich vor.
Schlaftrunken schüttelte Kiss den Kopf. »Nein, danke. Ich muss ein bisschen schlafen. Ich hab die halbe Nacht wach gelegen. Mach inzwischen, was du möchtest.«
Ich zog mich an und ging in die Küche. Nachdem ich mir ein ordentliches Frühstück bereitet hatte, warf ich mir den Rucksack über die Schultern und lief in Pachtung Hauktjern. Es dauerte fünfundzwanzig Minuten, bis ich die Kletterwand mit den Bergpfaden verschiedener Schwierigkeitsgrade erreichte. Ich war außer Übung, wählte daher eine mittelschwere Strecke, zog mir die neuen Nagelschuhe an und machte mich an den Aufstieg.
Das Klettern wurde beschwerlicher, als ich erwartet hatte. Eine Trainingseinheit in den Felswänden am Hauktjern ist an sich keine große Leistung, bloß eine nützliche Übung für größere Herausforderungen. Ich war zu ungeduldig, um den nachmittäglichen Schatten abzuwarten, und kletterte in praller Sonne. Es war schwierig, mit verschwitzten Fingerspitzen Halt zu finden, auf halbem Weg nach oben stieß ich zu allem Überfluss auf einen Felsüberhang, den ich nicht zu passieren vermochte. Ursache war eine psychische Hemmschwelle, die ich noch nie hatte überwinden können.
Ich hob den rechten Fuß an und fand dreißig Zentimeter weiter oben guten Halt. Dann stellte ich fest, dass es unmöglich war, mit der rechten Hand woanders hinzugreifen, ohne den zweiten Fuß zu lösen. Sobald ich es versuchte, befand sich mein Körper nicht mehr im Gleichgewicht.
Die Technik besteht darin, das linke Bein lose unterhalb des Körpers hängen zu lassen, sodass sich der Schwerpunkt des Körpers auf einen Bereich direkt oberhalb des rechten Fußes verlagert. Dann wird es ganz einfach, sich nach einem anderen Haltepunkt auszustrecken, denn der Körper ist ausbalanciert. Es handelt sich um einen Standardkniff im Repertoire aller Bergsteiger, die meisten führen diese Technik automatisch aus, sie ist ein Teil des Muskelgedächtnisses.
Mehrere Minuten versuchte ich, mich innerlich aufzuraffen. Der Tag, an dem ich mein störendes Handicap überwinden sollte, war gekommen. Alles sei bereit, redete ich mir ein. Ich hatte gezeigt, dass ich eine norwegische Ausgabe des legendären Holzfällers Paul Bunyan war. Ich war mit einer hübschen Schauspielerin ins Bett gestiegen - und natürlich war ich auch im Stande, den Schwerpunkt des Körpers zu beeinflussen!
Ich stieß einen Schrei aus und schob den linken Fuß weg.
Unmittelbar darauf verlor ich das Gleichgewicht.
Mein Körper begann zu rotieren, und ich hatte den Eindruck, dass die Felswand sich immer stärker herüberneigte. Ich rutschte einen guten Meter ab, doch plötzlich konnte ich mit
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