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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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irrte ich mich. Zu meinem Ärger hörte ich, dass sich das Gewitter abzuschwächen begann, ohne dass Kiss ein Bedürfnis nach maskulinem Schutz hätte erkennen lassen. Ich leerte die Flasche und schlief ein.
     
    Ich erwachte von dem Gefühl, nicht länger allein zu sein.
    Intensiv starrte ich in die völlige Dunkelheit, ohne jemanden zu entdecken. Pure Einbildung also.
    Dann hörte ich ein leises Husten in der Nähe.
    Ich erstarrte und blieb reglos liegen, den Blick auf die Quelle des Geräuschs gerichtet. Nachdem sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, trat eine männliche Gestalt vor dem grauen Hintergrund des Fensters hervor. Sie saß vornübergebeugt auf einem Stuhl und hatte das Gesicht in den Händen verborgen.
    Ich hörte mich sagen: »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    Der Mann richtete sich abrupt auf, als hätte ich ihn aus tiefen Gedanken gerissen.
    »Leider nein«, erwiderte er. »Weder du noch sonst jemand kann etwas für mich tun. Es ist zu spät.«
    Ich erkannte die Stimme. Wenn ich zu Beginn auch ängstlich gewesen war, so war ich jetzt vollkommen starr vor Schreck. Unkontrolliert begann ich zu zittern.
    »Du bist tot, meinst du?«, brachte ich stammelnd hervor.
    Der Mann zog ein Päckchen Zigaretten hervor.
    »Doch nicht tot genug, als dass ich mich nicht an dem rächen könnte, der mir Unrecht zugefügt hat.«
    Die Worte brachten mich zum Weinen.
    »Es tut mir so leid«, schluchzte ich, »dass ich dich geschlagen habe, als wir uns das letzte Mal sahen, dass ich dir Kiss weggenommen habe …«
    Der Mann antwortete nicht. Er entzündete ein Streichholz. Der Lichtschein fiel auf sein Gesicht und wischte jeden Zweifel weg.
    Es war Lennart.
    Mit der Zigarette im Mundwinkel lächelte er boshaft. »Nun gut«, sagte er. »Ich weiß dein Geständnis zu schätzen. Das erspart uns eine Menge Zeit.«
    Dann packte er mich an der Gurgel und drückte zu.
     
    Die Klauen des Monsters
     
    Es war mir nicht klar, dass ich geträumt hatte, bis ich Kiss in der Tür stehen sah. Sie hatte Kleid und Seidenstrümpfe abgelegt und stand in einem Korselett mit Büstenhalter aus gemustertem Brokatstoff vor mir. Das eng sitzende Kleidungsstück überließ der Fantasie nur wenig. Ich warf einen gierigen Blick auf ihre festen Brüste und die nackten Schenkel.
    Kiss sah mich erschrocken an. »Bist du krank, Erik?«
    Plötzlich bemerkte ich, dass ich meine Kehle umklammert hielt, als spürte ich immer noch den Schmerz von Lennarts Würgegriff. Ich blickte verwirrt umher. Das Zimmer war nicht länger stockdunkel wie noch vor wenigen Sekunden, und ich konnte die Morgensonne durch die Gardinen scheinen sehen. Der Stuhl, auf dem Lennarts Geist gesessen hatte, stand - mit meinen Kleidern über das Sitzkissen geworfen - in der Ecke.
    »Nein, nein«, sagte ich bloß.
    Es war nicht so, dass ich keine Lust hatte, über Lennart zu sprechen. Im Gegenteil. Einer der Gründe, aus denen ich mich auf diese Ferien gefreut hatte, war, dass wir uns gemeinsam erinnern konnten - doch eben daraus war nicht so viel geworden, nachdem Kiss das Thema vermieden hatte. Die Ursache war vermutlich, dass sie mehr über Lennart wusste, als sie verraten wollte.
    Der Albtraum, den ich gerade durchlitten hatte, war ein ausgezeichneter Vorwand, sie gesprächig zu machen. Warum wurde ich im Traum ständig von Lennart heimgesucht? Und wieso verhielt er sich immer so unsympathisch? Mein Unterbewusstsein versuchte anscheinend, mir etwas zu erzählen. Ich war sicher, dass Kiss den Schlüssel zu den wiederkehrenden Albträumen in der Hand hielt. Doch eben jetzt war keine Zeit für Psychoanalyse. Offenbar war der Augenblick gekommen, in dem ich für das Holzfällen belohnt werden sollte. Ich lächelte verlegen.
    »Ich habe mich gestern Abend schrecklich aufgeführt, Kiss …«
    Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah mich streng an.
    »Das kann man wohl sagen. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich geglaubt, dich quälte etwas.«
    »Aber da hast du vollkommen recht, mein Kisschen: Da gibt es unbedingt etwas, das mich quält!«
    Sie ließ sich sofort auf das Spielchen ein. »Na, hat man so was schon gehört«, sagte sie kopfschüttelnd. »Dann muss ich vermutlich eine entsprechende Kur finden.«
    Sie wollte gerade zu mir ins Bett steigen, doch ich hielt sie auf.
    »Einen Augenblick, mein Fräulein. Sie verstehen sicher, dass ich Ihnen erst ein paar Fragen im Hinblick auf Ihre Qualifikationen stellen muss.«
    »Selbstverständlich. Es

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