Der Spinnenmann
in der Nähe waren, überquerte ich die Straße.
Der Chrysler war leer. Um ganz sicher zu gehen, lief ich einmal um den Wagen herum und überprüfte, ob die Türen verschlossen waren. Sie waren es - ebenso der Kofferraum. Ich ging in die Hocke, um einen Blick auf die Räder zu werfen. Sie waren verschmutzt, aber davon wurde ich auch nicht schlauer. So, wie die Winter in diesem Land nun mal geworden waren, hatten alle Autos, die über von ständigem Regen aufgeweichte Straßen fuhren, Schmutzspuren bis hinauf an die Fenster.
Ich erhob mich. Im selben Moment spürte ich, wie jemand nach meinem Arm fasste. Im Glauben, angegriffen zu werden, fuhr ich zusammen.
»Kiss!«, rief ich erschrocken. »Was zum Teufel machst du hier?«
Natürlich hätte ich mich nicht so ausdrücken sollen. Aber mein Nervenkostüm war äußerst dünn, und ich war schlichtweg nicht in der Stimmung für Überraschungen. Nur Sekunden später wurde mir klar, wie froh und erleichtert ich war, sie wiederzusehen.
Ich trat einen Schritt auf sie zu und wollte sie umarmen. Kiss wich zurück.
»Ich bin in der ganzen Stadt herumgefahren, um Zigaretten zu bekommen«, sagte sie. »Zum Schluss bin ich in einem Cafe am Lilletorg gelandet. Da konnte ich ein paar Medina kaufen.«
Wie zum Beweis hielt sie das Päckchen in die Höhe. Ihre Stimme zitterte, ihr Blick wirkte verängstigt. Offenbar war sie genauso erschrocken wie ich.
»Ist schon gut«, sagte ich. »Ich wollte dich nicht anschreien.«
Als ich sie jetzt umarmte, wich sie nicht zurück.
»Du ahnst ja nicht, welche Angst ich hatte, nachdem du so plötzlich verschwunden warst. Ich hab schon mit dem Schlimmsten gerechnet…«
Sie legte ihre Wange an meine Brust. »Wir setzen uns ins Auto«, sagte sie, »dann erkläre ich dir alles.«
Sie schloss die Fahrertür auf und öffnete dann die Tür für mich. Ich saß da und blickte sie an. Wie immer war sie elegant gekleidet, trug ein braunes Herbstkostüm mit rotbraunem Schal, jedoch weder Hut noch Ohrringe. Die Umarmung hatte sie etwas beruhigt, aber ihr Gesicht war immer noch blass, und in ihren Augenwinkeln lag ein furchtsamer Zug.
»Ich wusste gar nicht, dass du fahren kannst«, sagte ich, um das Schweigen zu übertünchen.
Kiss lächelte. »Ich werde von Tag zu Tag besser.«
»Dann hast du den Wagen vom Solvann hierher gefahren?«
»Ja, natürlich.«
»Was meinst du mit >ja, natürlich<. War das bloß so ein Einfall? Anstatt den Bus zum Jernbanetorv zu nehmen und mich dort wie abgemacht zu treffen, hast du dich also entschieden, dein Täschchen zu packen und zu verschwinden?«
»Ja, ich bekam Angst, weißt du.«
Ich musste sofort an das Wasserflugzeug denken, das auf dem Solvann gelandet war. »Angst wovor?«
Sie sah mich an, als befürchte sie, dass ich ihr nicht glauben würde. »Das ist schwer zu erklären. Ich dachte darüber nach, was du gesagt hast. Dass du Angst hättest, es könnte mir da draußen im dunklen Wald etwas Schreckliches geschehen. Schließlich konnte ich es im Haus nicht mehr aushalten, und da hab ich mitten in der Nacht meine Sachen zusammengepackt und bin in die Stadt gefahren.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Um ehrlich zu sein, ich bekam Panik. Ich habe keine andere Erklärung. Am schlimmsten war, dass ich glaubte, ich würde es niemals schaffen. Ich habe dauernd den Motor abgewürgt und mich abgerackert, den Wagen wieder in Gang zu bekommen. Es war schrecklich! Als ich endlich hier ankam, war ich total erschöpft. Ich bin gleich ins Bett gegangen und habe wie ein Stein geschlafen. Und um die Zeit, als ich dich am Jernbanetorv treffen sollte, habe ich immer noch geschlafen …«
Ich streichelte ihre Wange. »Aber warum hast du dich denn nicht gemeldet?«
»Ich bin zu einer Freundin in Ekeberg gezogen. Ich wollte mich natürlich so schnell wie möglich bei dir melden. Aber ich habe mich geschämt, weil ich so völlig meinen Mut verloren habe. Schließlich habe ich die ganze Zeit behauptet, dass mich das Eremitendasein nicht im Mindesten störte. Und als ich endlich den Mut aufbrachte, dich anzurufen, warst du nicht zu erreichen.«
»Wenn du von heute sprichst, ja, da war ich sehr beschäftigt.«
Kiss sah mich abwartend an.
»Ich habe gerade Jacob Bondi getroffen. Und er hat mir die Wahrheit über, äh … über Manteuffel erzählt…« Ich brach ab.
»Aber es hat wohl keinen Sinn, wenn ich dir mehr erzähle. Ich möchte dich nicht in irgendetwas hereinziehen.«
»Na, wenn du es unbedingt
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