Der Spion, der aus der Kälte kam
Berlin?«
»Nein. Er kennt Deutschland gut, aber in Berlin hat er nie gelebt. Er hat als freier Mitarbeiter manchmal in Bonn ausgeholfen. Er ist ein lieber Kerl. Du könntest ihm begegnet sein.«
»Glaube ich nicht.« Pause.
»Und du? Was machst du jetzt so, alter Knabe?« fragte Ashe.
Leamas zuckte die Achseln. »Ich bin kaltgestellt«, entgegnete er mit einem etwas dümmlichen Grinsen. »Raus aus dem Sack und aufs Regal gestellt.«
»Ich vergaß, was hast du in Berlin gemacht? Warst du nicht einer von diesen geheimnisvollen kalten Kriegern?«
Mein Gott, dachte Leamas, endlich fängst du an, ein bißchen in die Pedale zu treten.
Leamas zögerte. Dann sagte er mit rotem Gesicht und voll Ärger: »Bürodiener für die verdammten Yankees, wie wir alle.«
»Weißt du«, sagte Ashe, als ob er den Gedanken einige Zeit in seinem Kopf gewälzt hätte, »du solltest mit Sam zusammenkommen. Du wirst ihn mögen.« Ganz beiläufig fragte er dann: »Sag, Alec - ich weiß nicht einmal, wo du zu erreichen bist?«
»Nirgends«, sagte Leamas teilnahmslos.
»Wieso, alter Junge? Wo wohnst du denn?«
»Einmal hier, einmal da, ich schlage mich so durch. Hab' keine Stellung. Die Hunde haben mir nicht einmal eine richtige Pension gegeben.«
Ashe sah ihn entsetzt an.
»Aber Alec, das ist schrecklich. Warum hast du mir das denn nicht gesagt? Schau, warum kommst du nicht und wohnst bei mir? Es ist ja recht eng, aber für dich ist noch Platz, wenn du nichts gegen Feldbetten hast. Du kannst doch nicht auf den Bäumen leben, mein Lieber!«
»Für eine Weile bin ich ja versorgt«, antwortete Leamas und klopfte auf die Tasche, die den Umschlag enthielt. Dann sagte er entschlossen: »Ich bin dabei, mir eine Stellung zu suchen. In einer Woche oder so werde ich eine haben. Dann wird alles in Ordnung sein.«
»Was für eine Stellung?«
»Ich weiß nicht.«
»Aber du darfst dich nicht selbst wegwerfen, Alec! Du sprichst deutsch wie ein Deutscher, ich erinnere mich genau, dass es so ist. Es muß doch eine Menge Möglichkeiten für dich geben.«
»Ich habe ja schon einiges gemacht. Zum Beispiel Enzyklopädien für irgendeine verdammte amerikanische Firma verkauft, in einer Bibliothek Bücher sortiert, in einer stinkenden Leimfabrik Arbeitskontrollkarten gelocht. Was, zum Teufel, soll ich denn machen?« Er schaute nicht zu Ashe, sondern auf den Tisch vor sich, während seine Lippen zitterten.
Ashe ging auf seine Erregung ein. Er lehnte sich über den Tisch, wobei er nachdrücklich, fast triumphierend zu sprechen begann: »Aber Alec, du brauchst Kontakte, siehst du das nicht? Ich weiß, was es heißt, habe ja selbst in der Suppenküche Schlange gestanden. Das ist der Moment, wo du Menschen kennen mußt. Ich weiß nicht, was du in Berlin gemacht hast, ich will es nicht wissen, aber es war keine Stellung, in der du mit den richtigen Leuten zusammenkamst, nicht wahr? Wenn ich nicht vor fünf Jahren in Posen Sam über den Weg gelaufen wäre, stünde mir das Wasser noch immer bis zum Hals. Schau, Alec, komm und bleibe eine Woche oder so bei mir. Wir werden Sam zu uns bitten und vielleicht einen oder zwei Zeitungsleute, die mit uns in Berlin waren, vorausgesetzt, es sind ein paar davon jetzt in London.«
»Aber ich kann nicht schreiben«, sagte Leamas. »Ich könnte nicht eine verdammte Zeile schreiben.«
Ashe legte seine Hand auf Leamas' Arm: »Nun, reg dich nicht auf«, sagte er beschwichtigend. »Wir wollen eines nach dem anderen machen. Wo sind deine Sachen?«
»Meine was?«
»Deine Sachen: Kleider, Gepäck, und was sonst noch alles?«
»Ich habe nichts. Ich habe alles verkauft, mit Ausnahme des Paketes.«
»Welches Paket?«
»Das braune Papierpaket, das du im Park aufgehoben hast. Das ich loswerden wollte.«
Ashe hatte eine Wohnung am Dolphin Square. Sie entsprach genau der Vorstellung, die sich Leamas von ihr gemacht hatte: sie war klein und unpersönlich und mit ein paar hastig zusammengeholten Andenken aus Deutschland garniert, wie etwa Bierkrügen, einer Bauernpfeife und etlichen Nymphenburger Porzellanfiguren von der billigen Sorte.
»Ich verbringe die Wochenenden bei meiner Mutter in Cheltenham«, sagte Ashe. »Ich benütze die Wohnung hier nur an ein paar Tagen der Woche.« Er fügte entschuldigend hinzu: »Sie ist sehr praktisch.« Sie stellten das Feldbett in dem winzigen Wohnzimmer auf. Es war erst halb fünf.
»Wie lange wohnst du schon hier?« fragte Leamas.
»Ein Jahr ungefähr, oder mehr.«
»War sie leicht zu
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